Zum weißen Elefanten
»Alles bestens. Ich habe die Lösung gefunden. Da ist ein Junge, der bei den Carrs vorbeigeht. Er nimmt ihn mit. Nur reitet er, und er hat eine ziemliche Ladung dabei, deshalb schicke ich euch jetzt erst mal einen. Die Sekretärinnen werden den anderen bestimmt nicht wollen. Welch ein Segen, daß der Junge vorbeigekommen ist.«
Wie schon so oft, waren sie dankbar, daß es Nora gab, aber Jane sagte nachdenklich, sie hoffe nur, daß der junge Mann nicht schüchtern sei, denn es sei doch ein etwas heikles Gut, um offen am Sattel getragen zu werden. »Ach, aber Nora wird ihn doch in einen hübschen kleinen Karton packen«, sagte Katherine optimistisch.
Aber es kam anders als erwartet. Sie wollten versuchen, nach dem Jungen Ausschau zu halten, aber er ritt schneller als sie gedacht hatten, und als nächstes ertönte Mrs. Simpsons eiskalte Stimme aus der Halle: »Da ist ein Junge am Tor, der Sie offensichtlich sucht.«
Das war nicht zu leugnen, aber es war nicht der schüchterne Schafhirte, den sie erwartet hatten, sondern ein lustiger kleiner Maorijunge, der einen höchst eigenartigen und erstaunlichen Kopfputz trug. Katherine stieß einen Schrei aus und eilte nach draußen, als er ihn mit einem strahlenden Lächeln absetzte.
»Da ist er. Mrs. Stevenson ihn haben eingepackt, aber Papier abgegangen, und ich große Ladung Pakete haben, ich ihn tragen so. Gut, hm?«
»Oh, danke schön, vielen, vielen Dank. Ja, ja. Sehr gut«, stammelte Katherine, die vergeblich versuchte, den Gegenstand unter einer kleinen Schürze zu verstecken. Als sie sicher in der Küche ankam, war es mit ihrer Fassung vorbei, und Jane stimmte in ihr mit großer Mühe verhaltenes Lachen ein. Daß sie es unterdrücken mußten, machte ihnen zum erstenmal richtig klar, daß das Haus nicht länger ihnen gehörte.
Aber all das verschlechterte nur das Verhältnis zu Mrs. Simpson, und wenn die Sekretärinnen auch noch so nett waren und alle ihre Bemühungen würdigten, war Jane doch gar nicht erstaunt, daß sie von dieser Dame nach einem erstklassigen Abendessen die Mitteilung erhielt, daß sie »das Roastbeef viel dünner geschnitten haben wolle und nie tiefgefrorene Erbsen esse — nur frisches Gemüse aus dem Garten.«
6
Katherine und Jane sahen später ein, daß es klug gewesen war, als Experiment diese Pensionsgäste vor dem richtigen Weihnachtsandrang zu nehmen. Wie Jane sagte, bekamen sie dadurch Übung, und wenn es ihnen gelang, Mrs. Simpson zu Überstehen, dann waren sie zäh genug, alle und alles zu ertragen. Es muß jedoch gesagt werden, daß sie nie wieder einen so schwierigen Gast hatten, und sie waren sehr dankbar, als sie abreiste. »Aber hier ist ihr Scheck«, sagte Jane und schwenkte ihn triumphierend. »Davon hat sie sich auch nicht gerne getrennt. Der liebe Himmel weiß, daß wir uns den redlich verdient haben.«
Um Mrs. Simpsons Fehler auszugleichen, waren Miss Martin und Miss Menzies Mustergäste gewesen. Sie hatten geschlafen, Sonnenbäder genommen, waren ein bißchen Boot gefahren, hatten sich herzlich und freundlich verhalten und gefragt, ob sie für nächstes Jahr um dieselbe Zeit »buchen« könnten.
»Sie bestanden sogar darauf, ihre Betten selbst für ihre Nachfolger herzurichten«, verkündete Katherine. »So ein Glück. Ich muß noch acht machen, und hier sind die Blumen, die Mrs. Carr für das Eßzimmer geschickt hat.«
Jane schaute kaum auf. »Tut mir leid, aber ich stecke bis über beide Ohren in der Arbeit. Acht zum Mittagessen und zehn zum Abendessen, mehr verkrafte ich nicht.«
Aber innerlich gab sie zu, daß sie Katherines Arbeit nicht gerne übernommen hätte. Niemals hätte sie so heiter und gastfreundlich erscheinen oder gleichmäßig zuvorkommend sagen können: »Ich hoffe, Ihr Zimmer wird Ihnen gefallen.«
»Um ehrlich zu sein«, sagte sie zu Nora, »mir fehlt der persönliche Kontakt. Bedienen mit einem Lächeln, und so weiter. Außer in der Küche bin ich nicht zu gebrauchen.«
»Na ja, schließlich ist die Küche der wichtigste Teil. Katherines Lächeln würde bei einem leeren Magen seine Wirkung verfehlen«, erklärte Nora. Die sechs folgenden Wochen waren für Jane in der Rückschau ziemlich verschwommen. Von den Gästen sah sie praktisch nichts. Ihr Tag bestand aus Kochen, Spülen und Waschen, unterbrochen vom Aufstellen des Speisezettels für den nächsten Tag, von Bestellungen und Aufräumen in der Küche. Hugh und Nora halfen wie immer auf ihre fröhliche und sehr wirkungsvolle Art. Da
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