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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Boden unter den einsinkenden Füßen zu spüren.
    »Nein, das bist du nicht. Aber ich bin manchmal du«, sagte die in ein Leuchten gehüllte Gestalt, die über Wolken mit goldenen Umrissen auf ihn zukam. Vashanka: so riesig, mit Haar von der Farbe des Scharfgarbenhonigs, und hoher, ungezeichneter Stirn.
    »O nein ...«
    »Du wolltest mich sehen. Sieh mich an, Diener!«
    »Nicht so nah, Räuber. Nicht soviel Ähnlichkeit. Quäle mich nicht, mein Gott! Laß mich dir die Schuld geben - aber nicht du sein!«
    »So viele Jahre, und immer noch willst du dich selbst täuschen?«
    »Unbedingt. Genau wie du es tust, wenn du dir einbildest, auf diese Weise zu Huldigern zu kommen. O Berserkergott, du darfst ihre Zauberer nicht vor ihren Augen rösten, sie sind alle von Zauberei abhängig. Du darfst sie nicht so erschrecken und dann erwarten, daß sie zu dir kommen. Mit Waffen gewinnst du ihre Gunst nicht, sie sind keine Krieger. Sie sind Diebe und Piraten und Dirnen. Du bist zu weit gegangen und dennoch nicht weit genug.«
    »Wenn du schon von Dirnen sprichst, hast du deine Schwester gesehen? Schau mich an!«
    Tempus mußte ihm gehorchen. Er blickte die Vashanka- Erscheinung an und erinnerte sich, daß er keine Frau zärtlich umarmen, daß er nur kämpfen konnte. Er sah seine Schlachten in endlosen Reihen. Er sah die Gefährtin des Sturmgotts - die eigene Schwester, der dieser immer und immer wieder Gewalt antat -, wie sie von Seelenqual geschüttelt auf ihrem Bett lag, weil ihr leiblicher Bruder sie so mißbrauchte. Vashanka lachte.
    Tempus knurrte lautlos durch starre Lippen.
    »Du hättest uns sie haben lassen sollen.«
    »Nie!« brüllte Tempus. »O Gott, gib es auf! Du machst dich nicht beliebt bei diesen Sterblichen, und mich auch nicht. Das war ein unüberlegtes Unternehmen! Kehr in deinen Himmel zurück und warte ab. Ich kann deinen Tempel ohne deine wahnsinnige Hilfe besser bauen. Du hast jeglichen Sinn für Proportionen verloren! Die Freistätter beten keinen an, der ihre Stadt zum Schlachtfeld macht.«
    »Tempus, sei nicht zornig auf mich. Ich habe auch meine Probleme, wie du weißt. Hin und wieder muß ich Ablenkung haben«, wimmerte der Gott. »Und du hast schon lange keine Kriege mehr geführt, so entsetzlich lange. Ich langweile mich so und bin einsam.«
    »Und du hast den Tod meines Pferdes verursacht!« brüllte Tempus. Er löste sich aus Vashankas Bann mit größerer Willenskraft, als er je aufgebracht hatte. Er drehte sich um und nahm den Weg, den er gekommen war, in entgegengesetzter Richtung. Der Gott rief ihm nach, doch Tempus blickte nicht zurück. Er setzte die Füße in die Abdrücke, die sie auf dem Weg hierher in den Wolken zurückgelassen hatten, und je weiter er sich schleppte, desto fester wurden diese Wolken.
    Allmählich nahm die Kraft der Dunkelheit ab, und er gelangte in einen sanften Sonnenaufgang, in ein weiches Morgenrot, das fast dem von Freistatt glich. Er ging weiter, bis der Gestank von verwesendem Fisch und die schlechte Luft von Abwind seine Nase quälte, und noch weiter stiefelte er, bis eine Ranke ihn zum Stolpern brachte und er auf einem feuchten, unbebauten Grundstück auf die Knie fiel.
    Er hörte ein grausames Lachen, und während er hochblickte, dachte er, daß er es gar nicht wirklich zurückgeschafft hatte - daß Vashanka ihn noch weiter bestrafte.
    Aber zu seiner Rechten war das Wilde Einhorn und zur Linken das Wohnhaus. Und vor ihm stand ein Palasteunuche, den Kittycat nach ihm ausgeschickt hatte, damit er ihn zu ihm bringe, weil er sich mit ihm besprechen wollte, was wegen des Waffenladens getan werden könnte.
    Mühsam kam Tempus auf die Füße. »Sag Kadakithis, daß ich schon noch zu ihm kommen werde. Aber wie du siehst ...«Er deutete um sich, wo nichts von einem Bauwerk zu sehen war, ja nicht einmal Spuren, daß eines hier gestanden hatte - von einigen Überresten des ehemaligen Heqt-Tempels natürlich abgesehen. »... gibt es keinen Waffenladen mehr. Infolgedessen auch keine Probleme mit ihm und keine Dringlichkeit. Wohl aber ist hier ein sehr gereizter Höllenhund, der in Ruhe gelassen werden möchte.«
    Der blauschwarze Eunuch entblößte makellose, glänzende Zähne. »Ja, ja, Herr«, beruhigte er den Mann mit dem honigfarbenen Haar. »Das sehe ich.«
    Tempus ignorierte die hilfsbereit ausgestreckte Hand des Eunuchen und auch sein spöttisches Grinsen über den Höllenhund, der sich vergebens bemühte, den Schmerz zu unterdrücken, als er über das

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