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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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in jener Nacht das Leben gerettet, und ich dir deines - aber sie waren ursprünglich nur hinter mir her. Hanse, wie viele Menschen hast du schon getötet?«
    Hanse wandte den Blick ab. Das Haar schwarz wie Rabengefieder, die Nase wie die eines jungen Adlers. Das Profil wie von einer rasiermesserscharfen Axt gehauen, nur Flächen und Kanten. Zwei Onyxe als Augen, genauso hart. Daß er wegschaute, paßte nicht zu ihm, das wußte Tempus. Tempus war viel im Palast und hatte Zugang zu Geheimakten. Er hatte auch einen Bericht gelesen, von dem nicht einmal der Prinz-Statthalter etwas wußte, und den er auch nie zu Gesicht bekommen würde, weil er inzwischen vernichtet war. Und dann hatte Tempus zuvor schon mit diesem Bürschchen zu tun gehabt, das aus dem Abwind und den Schatten hervorgegangen war. Nun war er hier in dieser schwachbeleuchteten Schenke, in der sich der menschliche Abschaum traf, um sich näher mit ihm zu befassen.
    Hanse blickte ihn immer noch nicht an, als er sagte: »Ihr dürft es aber niemandem verraten.«
    Tempus wußte genau, was er sagen mußte: »Beleidige mich nicht noch einmal.«
    Hanses Nicken war so scharf wie seine Messer. (Waren es fünf oder trug er wahrhaftig ein sechstes an seinem Schenkel? Tempus bezweifelte es. Das Halteband würde ständig rutschen.)
    Endlich antwortete Hanse: »Zwei.«
    Zwei Männer. Tempus nickte seufzend und rückte mit dem Gesäß so weit zurück, daß der Oberkörper fast auf dem Tisch zu liegen kam - eine Haltung, die bei Soldaten in Schenken nicht unüblich war. Verdammt! Wer hätte das gedacht? Der Ruf dieses finsteren, angsteinflößenden (anderen, nicht dem Mann, der sich gegenwärtig Tempus nannte) jungen Mannes aus der Gosse, aus der er sich zweifellos längst erhaben glaubte, ließ etwas ganz anderes vermuten. Tempus wußte, daß Hanse den einen oder anderen verwundet hatte und hatte sich danach seine Meinung gebildet. Und nun sagte Nachtschatten, daß er nie zuvor getötet hatte! Von einem wie ihm war das ein mutiges Geständnis. Wegen mir hat er sich die Hände blutig gemacht! dachte Tempus. Nun, er ist nicht der erste. Auch für mich gab es einst meine ersten zwei. Wer sie wohl gewesen waren? Und wo es passiert war? (Aber er wußte es, er wußte es! So etwas vergaß man nicht. Tempus war älter, als jeder annahm, aber er war nicht so alt, wie er sich in seiner Weltmüdigkeit fühlte oder zu fühlen glaubte.) Gern hätte er jetzt die Hand ausgestreckt und sie dem so viel jüngeren Mann auf die Schulter gelegt. Aber er tat es nicht.
    Statt dessen fragte er: »Hat es dir zu schaffen gemacht?«
    Hanse blickte ihn immer noch nicht an. Wie konnte ein Kind der Wüste mit so unglaublich langen Wimpern und diesem sinnlichen, fast hübschen Mund nur so grimmig und bitter dreinschauen? »Ich mußte mich übergeben.«
    »Das beweist, daß du ein Mensch bist. Damit hast du mir gesagt, was du getan hast, nicht aber, was du empfindest.«
    Hanse blickte ihn jetzt an. Nach einer Weile zuckte er die Schulter.
    Tempus seufzte und nickte. Er leerte seinen Becher, hob einen Arm und blickte in die Richtung des Schanktisches. Der neue Nachtschenk nickte. Tempus senkte den Arm und blickte Hanse an. »Ich verstehe«, sagte er.
    »Wirklich? Vor einiger Zeit sagte ich zu dem Prinzen, daß es eine Sache für Prinzen ist, zu töten, nicht für Diebe. Und nun habe ich getötet!«
    »Was für große Worte zu einem kleinen Prinzen! Ich wollte, du wärst im Augenblick nicht so ernst, dann könnte ich laut lachen. Erwarte keinen Trost von mir, mein Freund. Es ist passiert. Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten - auch nicht darum, auf mich zu warten. Das wirst du nie wieder tun.«
    »Auf die gleiche Weise bestimmt nicht.« Hanse lehnte sich zurück, während Wie-immer-er-auch-hieß (sie nannten ihn hier »Zweidaumen«) zwei volle Becher vor ihnen abstellte. Er nahm die beiden anderen nicht mit und wartete auch nicht auf Bezahlung. »Ich glaube, es begann, als Bourne - starb und Ihr zur Diebeswelt kamt.«
    »Diebeswelt?«
    Wieder dieses fast verlegene Schulterzucken. »So nennen wir Freistatt. Einige von uns. Nun, es hat die Stadt ganz schön mitgenommen, es geht dort drunter und drüber, und ich glaube, daß Ihr damit zu tun habt.«
    »Ich glaube, das hast du schon gesagt.«
    »Ihr habt mich abgelenkt, >Thales<. Dieser Tempel oder Laden oder was immer es war, er - brach zusammen? Oder ging in die Luft? Irgendwas, jedenfalls. Und dann der Prinz ...«
    »Du hast wirklich Achtung vor ihm, nicht

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