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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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herrlicher Morgen?«
    »Ein herrlicher Morgen«, wiederholte ich und nickte, »in der Tat!«
    »Wieso liegt die Zeitung nicht auf dem Tisch«, herrschte Müller Miss Marple an.
    Sie schlurfte hinaus, ich blickte ihr sorgenvoll nach.
    »Hat eigentlich alles geklappt?«, fragte Müller, zu mir gewandt.
    »Was soll geklappt haben?«
    »Na, gestern Abend im Puff, der blinde Passagier!«
    »Der blinde Passagier?«
    Der blinde Passagier! Ich hatte sofort ein Bild dazu: Ich mit verbundenen Augen auf dem Bett, wie ich das Meer der Lüste durchsegele. Er musste meine Initiation meinen! Um ein Haar fiel ich vom Stuhl, hielt mich aber in letzter Sekunde an der Tischkante fest. Mein Blut fuhr mir vom Körper in den Kopf, mit einer Wucht, als wollte es mir aus den Ohren spritzen.
    »Der Puvogel wollte 500 Euro dafür, also ich hoffe, das war es wert.«
    Das war stark! Müller wusste nicht nur von meiner nächtlichen Entjungferung, er hatte sie sogar aus seinem fetten Angeberportemonnaie bezahlt? Oder war das einer seiner Bluffs? Überhaupt, warum hatte er mich gerade nicht erkannt, und jetzt war er plötzlich dermaßen im Bilde? War er irre? Ich verstand plötzlich den Impuls der Roten Müllerin, diesem Mann eine Mistforke ins Bein zu rammen. Wie konnte man ihn treffen, wie sich für diese Impertinenz rächen?
    Die Antwort kam in Gestalt des Mittagskuriers , den Miss Marple wie einen Hummer auf dem silbernen Tablett servierte. Auf der Seite eins stand in fetten Versalien:

    DIE ROTE MÜLLERIN – SIE WOLLTE
MÜLLER TÖTEN
von MICHAEL ROTHE
    Ich nieste mehrfach heftig und kramte nach den Augentropfen. War ich etwa auch allergisch gegen Ruhm? Mein Name prangte auf Seite eins des Mittagskuriers . War das der Durchbruch? War das das Ende? Jetzt las auch Müller die Schlagzeile. Er riss die Augen auf. Müller las in der Zeitung, ich in seinem Gesicht. Und dort schien etwas vorzugehen, was ich so noch nicht bei ihm gesehen hatte. Eine Skala von Emotionen, deren Vorhandensein er im Normalbetrieb leugnete, war da zu sehen: Schreck, Enttäuschung, Verletzung, Verzweiflung, Ärger, Zorn, brennende Wut, Ohnmacht. Es schien sogar, als würden seine Augen feucht. Das alles spielte sich im Bruchteil von Sekunden ab, dann kehrte sein süffisantes Pokerface zurück. Er trank Champagner, goss persönlich nach, trank wieder, goss wieder nach. Er sah mich nicht an. Ich war Luft für ihn. Erst nach einigen Minuten, in denen ich, ihn beobachtend, versuchte, mich zu sammeln und auf den Schlag vorzubereiten, gewann er wieder Kontrolle über seinen Gesichtsausdruck.
    Er warf die Zeitung auf den Tisch. Zeitgleich klingelten sein und mein Smartphone. Wir starrten einander wortlos an, er drückte den Anruf weg, ich nahm meinen entgegen.
    »Wo bist du?« Es war Gritli.
    »Wo bist DU denn?«, fragte ich, Müller weiter fixierend.
    »Noch im ›Aphrodite?‹«
    »Bleib dort, ich ruf dich zurück.« Ich legte auf.
    Müller hatte sich einen Zigarillo angesteckt. Er sah mich unverwandt an. Ich sah zurück. Wer zuerst wegguckt. Alle von Mutter antrainierten Impulse, mich zu entschuldigen, Asche auf mein Haupt zu streuen, herumzustammeln, zu leugnen, zu beichten, Buße zu tun, waren schwächer als sonst, kaum spürbar, fast schon niedergekämpft. Hier und jetzt übernahm ich die Verantwortung für mein Tun.
    Für Müller musste das Verrat sein. Und ja, ich hatte meinen alten Hexenmeister verraten, so wie auch er jeden verraten hatte, der ihmein Hindernis war auf seinem Weg nach oben. Er musste vor meinen Augen in der Zeitung lesen, dass die Frau, deren Trauerfeier er gerade ausrichtete, ihn hatte töten wollen, und ganz Dingenskirchen und ganz Rizz wussten es auch. Fünfhunderttausend Abonnenten des Mittagskuriers lasen an diesem Morgen meinen Namen unter der Schlagzeile. Und dennoch, letztlich war sie es, die gestorben war, und Müller lebte. Den Umstand, dass sie ihn hatte ermorden wollen, was ja, wie ich wusste, nicht mehr als das Aufflackern einer Idee in ihrem Tagebuch gewesen war, würde Müller sicher für sich zu nutzen wissen. Er, das arme Beinaheopfer einer geldgierigen Konkubine. Und überhaupt: Wer verdarb eigentlich hier wen? Wer würde wen schlachten, wer wen fressen? Müller hatte mich verderben wollen, und nun war er Opfer meiner Verderbnis geworden.
    Müller lachte grimmig. »Respekt«, rief er und prostete mir zu. »Ich hab dich unterschätzt, Meikel!«
    Er setzte das leere Glas so hart auf, dass der Stiel zerbrach und der abgetrennte Kelch wie

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