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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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ein Kreisel rollte, um schließlich mit dem Stumpf auf mich zu zeigen. Müllers Esel, das bist du!
    Miss Marple schlurfte zum Küchentisch und behob den Schaden.
    »Respekt«, wiederholte Müller und untersuchte seine Hand auf Verletzungen. »Sie kennen meine elfte Regel zum Erfolg? Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.«
    Er zeigte nach links. »Dort ist die Tür, du kleiner Scheißer!«
    Was, wenn man einfach nicht reflexhaft gehorcht? Ist man dann überhaupt noch ein kleiner Scheißer? Irgendetwas hielt mich auf meinem Stuhl. Ich spürte weder Angst noch Triumph.
    »Immer mit der Ruhe«, hörte ich mich sagen. »Erst noch ein Gläschen Champagner.«
    Müller sah überrascht auf und winkte Miss Marple, die mir ein Champagnerglas füllte und reichte. Ich prostete Müller, der sich wieder in die Zeitung vertieft hatte, zu, trank aber nicht. Ich mussteZeit gewinnen. Was war jetzt zu tun? Wenn das ein Sieg war, dann war es ein einsamer Sieg. Sollte ich Müller davon erzählen, wie alles zustande gekommen war? Sollte ich ihn fragen, wie alles wirklich gewesen war? Wie waren noch Müllers Erfolgsregeln gewesen? Nie rechtfertigen! Den Feind nicht wissen lassen, was du denkst. Die Flamme, nicht die Motte sein! Ein Feldherr darf nicht über jedes Opfer weinen.
    »Wo ist denn eigentlich dieses Tagebuch, von dem die Rede ist?«, sagte Müller.
    »Warum?«
    »Such, Linda, such«, rief Müller.
    Der Hund wetzte davon, man hörte ihn mit großen Sätzen die Treppe hinaufspringen.
    »Also, wo ist das Tagebuch?«
    »An einem sicheren Ort«, sagte ich mit wenig innerer Überzeugung.
    »Da haben Sie ausnahmsweise mal recht«, sagte Müller, lachte und zeigte hinter mich. Dort stand hechelnd Linda Lovelace, sein Schäferhund, meine gestreifte Pyjamahose im Maul.
    »Na«, sagte Müller, »wäre ja auch zu schön gewesen. Frau Niedel, bringen Sie mir die Aufzeichnungen unseres Hausgasts bitte?«
    Linda Lovelace blickte abwartend zwischen mir und Müller hin und her und legte hechelnd den Kopf schief.
    »Komm her, du Schlampe«, rief Müller. Linda legte Müller die Schlafanzughose vor die Füße und wedelte mit dem Schwanz.
    »Guter Hund«, sagte Müller, streichelte das Tier, aber musterte dabei mich, als spräche er mit mir. Ich war aber kein Hund, ich war der Retter der Enterbten, der, der Recht und Gerechtigkeit auf seiner Seite hat und zum Schluss die schöne Prinzessin kriegt. Blieb die Frage, wer die schöne Prinzessin war. Veronika, die perfekte Blondine? Kuki, der kohlpechrabenschwarze Mohr? Oder würde es jemand sein, den ich jetzt noch gar nicht kannte?
    Frau Niedel war inzwischen zurückgekehrt, hielt die Abschrift des Tagebuchs in der Hand und reichte sie Müller. Während der, ohne eine Miene zu verziehen, in den Aufzeichnungen blätterte, griff ich mir den Mittagskurier und las »meine« Geschichte. Sie war aufgemotzt, zugespitzt, verschlimmbessert, aber im Kern erhalten. Unstrittig war: Die Geschichte war in der Welt, und nun saß ich dem einzigen Menschen gegenüber, der mir eine andere Version erzählen könnte – genauso wie in Ingmar Bergmans »Szenen einer Ehe«.
    »Geben Sie mir doch ein Interview: Müller – jetzt redet er! Erzählen Sie mir die Wahrheit! Klären Sie die Sache auf!«
    Die Druckerschwärze meines ersten Artikels war noch nicht getrocknet – und schon klang ich wie der Chefreporter der »Sun«.
    Draußen klappte eine Autotür.
    »Darf ich?« Ich zog Müller gerade das Tagebuch aus der Hand, als Miss Marple eine seltsame Gestalt in die Küche führte. Es war Kuki Bobito im Rokokokostüm mit rosa gepuderter Perücke.
    »Guten Morgen, ihr Bleichgesichter«, rief sie und begrüßte uns anschließend einzeln.
    »Meikelll«, sagte sie und schnalzte mit der Zunge.
    »Na, mein Hustinettenbärchen?«, sagte sie und küsste Müller auf den Mund. Vielmehr, sie versuchte es.
    Er wischte sie wie eine Fliege weg. »Was fällt Ihnen ein? Wer sind Sie? Wie sind Sie überhaupt hereingekommen? Verlassen Sie mein Haus, Sie Scheusal! Frau Niedel?«
    Mich hatte Müller ähnlich begrüßt. War das Humor? Ein Witz, der sich mir nicht erschloss? Aber der Erfolgsproduzent blickte nicht humorvoll, sondern feindselig drein, und Kuki Bobito trat einige Schritte zurück, wobei ihr Reifrock Linda Lovelace touchierte, die einen Satz machte und laut knurrte. Jetzt fiel mir das Madame-Pompadour-Casting wieder ein. Es war auf heute 8 Uhr in MüllersBüro angesetzt gewesen. Im Strudel der Ereignisse hatte ich es völlig

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