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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Feuchttuch, das er aus einer Packung gerissen hatte und das einen zitronigen Duft in Müllers Schlafzimmer verströmte, setzte die Brille dann wieder auf und schob die Daumen hinter seine Hosenträger.
    »Was fehlt ihm denn?«, fragte ich.
    »Wir haben lange gedacht, dass es die Folgen des Sturzes wären«, sagte der, »dann haben wir einen Verdacht entwickelt, und die jüngsten Ergebnisse lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um Demenz handelt«, sagte er. »Noch überwiegen die klaren Momente, aber es sind der Firma schon so erhebliche Schäden entstanden, dass es besser wäre, ihn ...«
    Das war ja furchtbar! Plötzlich konnte ich alles einordnen, dass Müller uns manchmal wie Fremde behandelte, dass er die Gräfin mit der Müllerin verwechselte, dass er sich nicht an den Tathergang erinnerte, dass er so viele Tabletten nahm – aber was meinte der Mann? Dass es besser wäre, Müller einzuschläfern?
    Teuben sah mich an, als überlegte er, ob er etwas sagen sollte,rang sich aber schließlich dazu durch: »Mir hat Ihre Geschichte übrigens gefallen, Herr Rothe! Sie hat, wie Sie sich vorstellen können, erhebliche Aufregung produziert, und wir alle fürchten uns vor dem angekündigten zweiten Teil ...« Er lachte süffisant. »... aber so wäre es ja auch nicht weitergegangen. Nein, so kann es nicht weitergehen. Um größeren Schaden von der Firma abzuwenden und Sie, was die Weiterführung der Geschichte betrifft, in ein besseres Licht zu setzen, muss ich Ihnen sagen, dass Sie den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Felicitas Müller wollte Dr. Müller umbringen. Durch eine Verwechslung trank sie selbst den vergifteten Cocktail und starb.«
    Warum nur glaubte ich ihm nicht? Miss Marple war zurückgekommen. Sie deckte den Hausherrn, der bereits eingeschlafen war, liebevoll zu, stopfte die Decke fest unter seine Beine und strich sie danach mit einer Geschäftigkeit, die möglicherweise innere Bewegung verbarg, glatt. Während ich dies beobachtete, versuchte ich, mein eigenes Gefühlschaos zu sortieren. Ich hatte geblufft mit meiner Geschichte im Mittagskurier . Und nun sollte es genau so gewesen sein? Sie hatte ihn töten wollen? Ich mochte Müller und litt mit ihm. Ich war aber auch enttäuscht und befremdet, dass der Großmeister des Zynismus plötzlich ein Gaga-Opa war. Ich hasste ihn, denn er hatte andere Menschen gequält, er hatte auch die Rote Müllerin gequält. Aber tief im Innern beneidete ich ihn, um die Haushälterin, den Leibarzt, den Fahrer, die eigene Kundennummer bei der Taxizentrale und den Sunsettarif im »Aphrodite«.
    Nicht ohne Wehmut verließ ich die Gelbe Villa. Das Bild des in die Bettdecke eingepackten schlafenden Erfolgsproduzenten saß mir im Kopf, ich spürte den Einstich von Teubens Spritze im Hals fast körperlich. Würde Müller aufwachen, als wäre nichts geschehen? Würde er wieder Kraft schöpfen, würde er wie geplant die Urnenbeisetzung derRoten Müllerin ausrichten, würde er mit Verve die Rede halten, die ich ihm geschrieben hatte?
    Demenz, verdammt. Konnte man da etwas tun? Zu Hause würde ich das gleich recherchieren, zu Hause würde ich – mir fiel die Kündigung von Frau Puvogel ein. Hatte ich überhaupt noch ein Zuhause?
    Ich studierte den Plan an der Bushaltestelle, nahm zur Kenntnis, dass der nächste Überlandbus erst in zwei Stunden nach Rizz fahren würde, und schlug den Weg zum »Aphrodite« ein, wo Gritli auf einen Anruf von mir wartete, der nicht kommen würde, weil mein Akku leer war. Es war kurz nach neun, die Eisbude öffnete gerade. Ich fand noch 5 Euro in meiner Hosentasche und kaufte zum Frühstück ein Magnum classic. Die Sonne kroch gerade hinter der Mauer der Gelben Villa hervor: Ich setzte mich auf eine Bank, schlug das Honigbuch auf und las:
    M. hat die neue Tatort-Kommissarin abgeschleppt, in meiner Gegenwart, nach einem Konzert, an einem Mittwoch! Es gab sogar einen Catfight hinten im Auto, die Negerin hat mein Kleid zerrissen und mich »anorektisches Frettchen« geschimpft. Ich hab im Fahrstuhl gehockt und geheult. Dann kam dieses arme Ding, das wegen David aus dem Fenster gesprungen ist und seitdem an Krücken geht. Sie hat ihre seltsamen Gestelle abgeschnallt, sich hingehockt und mir hochgeholfen. Die simuliert nur! Sie hat mich mit in ihre Wohnung genommen, mir ein Bad eingelassen, mir Kaffee gekocht und mein Kleid geflickt. Da fiel mir auf, dass ich gar keine richtige Freundin mehr habe. Vielleicht war ich ja niemals jemandem eine Freundin.
    Ein

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