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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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erreichte die Küche, als Miss Marple gerade »Guten Morgen Sonnenschein« von Nana Mouskouri mitträllerte. Sie zuckte zusammen, als ich sie begrüßte.
    »Guten Morgen, Frau Niedel«, sagte ich. »Darf ich Sie etwas fragen?«
    Sie wischte sich die roten Hände an der Schürze ab, die sie für die grobe Hausarbeit über ihr Strickensemble gezogen hatte, und ging einige Schritte auf mich zu. »Guten Morgen, Herr Rothe«, sagte sie mäßig freundlich. »Kaffee? Champagner? Beides?«
    Ich unterdrückte einen Brechreiz. Bloß keinen Alkohol! Nie wieder Alkohol! »Kaffee! Frau Niedel, Sie wissen ja, dass ich über Herrn Doktor Müller schreibe. Ich brauche dazu einige Auskünfte von Ihnen. Damals, nach seinem Sturz, hat Felicitas Müller Sie in den Urlaub geschickt?«
    Miss Marple setzte sich mir gegenüber auf den Küchenstuhl, ihre Atmung schien sich zu beschleunigen. Offenbar war dies ein quälender Abschnitt ihres Leben gewesen. Sie nickte.
    »Wie genau ist das passiert? Felicitas Müller hat Sie damals angerufen?«
    Sie nickte erneut. »Sie sagte, ich sei gefeuert. Sie sagte, wir würden Herrn Doktor Müller unter Drogen setzen, unmündig machen, umbringen und beerben, das sei ein Komplott, das würde sie nicht zulassen, sie würde sich nicht aus seinem Leben drängen lassen, sie wisse, was gut für ihn sei, und wenn ich mich noch einmal blicken ließe, dann würde sie mir den Schrubber ...«
    »... den Schrubber was?«
    »... hinten reinstecken, so tief, dass er mir zum Hals wieder rauskommt.«
    »Frau Niedel«, rief es aus Müllers Schlafzimmer. Der Hausherr war erwacht.
    Miss Marple legte den Finger an die Lippen, band hastig die Schürze ab, warf einen prüfenden Blick in den Flurspiegel und verschwand.
    Ich hatte, freundlich formuliert, gemischte Gefühle, dem Hausherrn entgegenzutreten. Gestern Abend war ich unter dem Vorwand, mir ein Eis kaufen zu wollen, von Müllers Spott verfolgt, aus der Gelben Villa entflohen, heute stand meine Geschichte im Mittagskurier, das heißt, wenn sie rechtzeitig die Redaktion erreicht hatte. Ich hatte ja versprochen, ihm die Geschichte vorab zu geben. Andererseits war es ja keine Geschichte über ihn, sondern über Felicitas.
    Kurzum, ich war Müllers Versuchskaninchen, aber ich war schließlich kein kleiner Junge mehr. Er hatte mir nichts zu sagen. Er konnte mich zu nichts zwingen, mir keinen Hausarrest erteilen, mich auch nicht mit dem Rohrstock versohlen, so wie es Mutter getan hatte. Ich hatte mein Schicksal selbst in die Hand genommen.
    Es gab kein Herrschaftswissen mehr, das sich meiner Kenntnis entzog. Ich war im Bilde, ich saß an der Quelle der Information. Ich hatte Freunde, und ich würde Feinde haben.
    Ich dachte daran, wie Big Ben mir gezeigt hatte, wie man zu sitzen hatte, so als Mann, und entspannte mich. Mein Hintern nahm dieganze Sitzbreite ein, mein Rücken lehnte sich lässig gegen die Lehne. Die Beine standen fest wie ein Stativ. Er war es, der mich verderben wollte, aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ich hatte das selbst erledigt, wir schuldeten einander nichts.

MÜLLERS ESEL, DAS BIST DU
    Wie schon am ersten Morgen in seinem Haus sah mich Müller, der im Morgenrock in die Küche sauste – er saß diesmal in einem elektronisch gesteuerten Rollstuhl – wie einen Fremden an, wie ein Spukgespenst in seiner privaten Küche.
    »Guten Morgen«, rief ich.
    »Wer sind Sie?«, knurrte er, stoppte auf halbem Weg und musterte mich feindselig, während die Schaltzentrale seines Rollstuhls piepte.
    »Meikel«, sagte ich.
    »Ich kenne Sie nicht«, sagte Müller, »ich hab Sie niemals gesehen. Wie sind Sie hereingekommen? Sie haben hier nichts verloren!«
    »Aber ich bin’s doch, Meikel!«
    »Frau Niedel, schaffen Sie den Mann hinaus! Rufen Sie die Sicherheit an und lassen Sie ihn wegbringen.«
    Miss Marple eilte herbei, bedeutete mir mit den Augen, die Sache nicht so ernst zu nehmen, und reichte Müller eine milchige Flüssigkeit in einem Schnapsglas. Er trank. Anschließend schluckte er bereitwillig zwei Pillen aus Miss Marples Hand und spülte sie mit einer Flüssigkeit aus einem weiteren Schnapsglas hinunter. Trübe, mit eingezogenem Hals, als wollte er sich mit den Schultern die Ohren zuhalten, blickte er vor sich hin, rülpste schließlich und holte tief Luft. Dann richtete er sich auf, Miss Marple schob ihn zum Tisch.
    »Herrlicher Morgen«, rief Müller, munter wie ein frisch geschlüpftes Küken. »Nicht wahr, Meikel? Ist das nicht ein

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