Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
Vom Netzwerk:
hatte mich und mein Erleben für immer geprägt.
    »Kann ja mal passieren«, brummte der Fahrer.
    Auf seinem DVD-Player lief »Fackeln im Sturm«.
    »Ich dachte, der funktioniert nur, wenn man nicht fährt?«
    »Hab ich kurzgeschlossen.«
    Unruhe befiel mich. Auf einer Landstraße zu Tode zu kommen in der Blüte meiner Jahre, das war mir doch hoffentlich nicht in die Wiege gelegt.
    »Herr LKW, ich glaube, Sie hatten Rot!«, brüllte der Taxifahrer und verursachte eine Vollbremsung.
    Ich umklammerte mit beiden Händen den Haltegriff, wurde kurz ohnmächtig oder nickte ein, träumte, dass ich, von Vögeln eskortiert, mit Mutter durch ein Honigmeer glitt, und schreckte wieder auf, als sie mir eine Essiggurke hinhielt. Verwirrende Dinge gingen hier vor, und ich war nichts als eine Krume, die eine große, unbekannte Macht von der Fußmatte schütteln wollte. Die Krume krallte sich an der Fußmatte fest.
    »Ich hab schon oft Leute zu ihm rausgefahren«, sagte der Taxifahrer. »So einige«, wiederholte er verträumt, »auch Leute, die man kennt. Aber man spricht nicht über seine Fahrgäste.«
    »Hat er denn keinen Fahrer?«
    »Doch, aber der schafft das nicht allein, da herrscht reger Verkehr.«
    Reger Verkehr also. Auf dem kleinen Bildschirm über dem Schaltknüppel war der Plantagenbesitzer LaMotte zu sehen. Er ist mit Madeline verheiratet und wird später von Orry getötet. LaMotte wurde gespielt von David Carradine, der zwanzig Jahre später nackt und tot im Einbauschrank eines Hotelzimmers in Bangkok hängen würde. Mutter, die die Serie »Kung-Fu« geliebt hatte, war tagelang verstört gewesen. Was ist das nur für eine scheußliche Welt da draußen, hatte sie gesagt, und nun war ich, ihr guter Junge, im besten Begriff, Teil der scheußlichen Welt da draußen zu werden. Ich nahm den losen Gesprächsfaden wieder auf.
    »Wen haben Sie denn gefahren?«
    Der Taxifahrer ließ sich nicht zweimal bitten. »Leute, die man aus dem Fernsehen kennt, so viel kann ich sagen. Vor allem Schauspielerinnen, Models und – na, leichte Mädchen wollen wir es mal nennen«, sagte er. »Müller hat bei uns eine eigene Kundennummer, 115, wie die Feuerwehr.«
    Schauspielerinnen, Models, leichte Mädchen. Würde ich eines Tages auch eine eigene Kundennummer haben? Nicht nur ein Filmproduzent konnte schöne Frauen berühmt machen, auch ein Journalist. Die Aussicht auf eine eigene Kundennummer verschaffte mir einen Motivationsschub.
    »Schwebt der nicht zwischen Leben und Tod?«, fragte der Taxifahrer, auf Müller gemünzt.
    »Er ist wohl auf dem Weg der Besserung«, antwortete ich. Beide hatten wir unsere Informationen aus dem Mittagskurier .
    Müllers Villa lag am äußeren Rand von Dingenskirchen. Vomeigentlichen Dorf war hier noch nichts zu sehen. Ich ließ das Taxi langsam Müllers Anwesen umfahren, zwischen Wald und Mauer verlief ein Lehmweg, in den sich das Reifenprofil eines Geländewagens eingeprägt hatte. Nur an einer Stelle blitzte das Gelb der Villa zwischen Pappeln über die Mauer. Wir konnten unmöglich stehenbleiben, das wäre zu auffällig gewesen. Überall Kameras, am Tor ein Sicherheitsmann.
    »Nicht anhalten«, rief ich. Der Taxifahrer beschleunigte wieder, setzte den Blinker und bog in die Hauptstraße ein, wobei er mich im Rückspiegel fixierte. Es war ein kleiner, elend verlassener Ort. Schüttere Grüppchen von Einheimischen steckten die Köpfe zusammen, kein Kind, kein Huhn, kein Hund war zu sehen. Die Bauernhöfe wurden nicht mehr betrieben und waren Fertighäusern gewichen. Ich stieg aus, verabredete mich für zwei Stunden später mit dem Fahrer und wanderte den Dorfkern ab: ein von Tauben wimmelnder Dorfplatz, eine verlassene Eisbude, die offenbar auch den Mittagskurier verkaufte, und ein Dorfteich, an dem eine alte Frau, auf einem Melkschemel sitzend, Stockenten fütterte. Das war alles. Das war die ganze Pracht! Hier, wo Rizz nicht einmal mehr spürbar war, wo sich Taube und Ente gute Nacht sagten, lebte Müller, der große, international vernetzte Erfolgsproduzent? Am Gesäß der Welt? Warum tat er das? Wollte er ungestört sein, hielt ihn ein Geheimnis hier, hatte er etwas zu verstecken? Ich pirschte mich zu Fuß an die Gelbe Villa an.
    In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gab es nur ein weiteres Anwesen, einen Bauernhof mit Großfamilie. Dort stapfte ein Rübezahl durchs Gehöft. Er schleppte zwei Säcke und pfiff vor sich hin.
    »Guten Tag«, rief ich von weitem.
    »Wollen Sie Eier kaufen?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher