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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Eisverkäufer nickte. »Die Kunden sind zufrieden ...«, der Eisverkäufer warf Klarhabbisch einen argwöhnischen Blick zu und senkte die Stimme: »... nur saubere deutsche Mädels.«
    Als Klarhabbisch und ich das Taxi bestiegen, sahen wir zwei saubere deutsche Männer im Trenchcoat an den Eiswagen treten.

HAPPEN FÜR DEN HOHLEN ZAHN
    Eine Art Reporterroutine stellte sich ein. Tagsüber streifte ich umher, abends leerte ich meine Taschen aus, sortierte meine Notizen und legte Recherchestand, neue Erlebnisse, Bekanntschaften, Befindlichkeiten unsortiert und ausführlich in meiner Kladde nieder – inzwischen meinen vierten.
    Jeden Abend nach dem Essen, das seit meinem Eierkauf bei Mama Bär meist aus Rührei, Spiegelei oder gekochtem Ei bestand, nahm ich einen der Artikel von meiner Wand, um ihn erneut, genauer und vorm Hintergrund meines jetzigen Wissens zu lesen. Dieser Vorgang war ein tägliches Ritual geworden wie das Phantasieren über die Rote Müllerin und das Zähneputzen mit ihrer Zahnbürste.
    Der Artikel »Erfolgsproduzent Müller – Er kommt durch!« schilderte die Genesung Müllers. Er spreche seit dem Unfall kein Wort, schrieb der Mittagskurier , und wolle niemanden sehen, ein Umstand, der mich gleichzeitig entmutigte und freute, weil ich davon ausgehen konnte, dass die Exklusivgeschichte vorerst komplett auf Eis lag,und zwar nicht nur für mich. Aber hieß das auch, dass Müller nicht ausgesagt hatte? Immerhin war er der wichtigste Zeuge in einem mysteriösen Todesfall, vielleicht einem Mord. Observierten deshalb Zivilpolizisten sein Haus? War auch ich ihnen längst aufgefallen?
    Vielleicht gab es noch andere Tatzeugen. Der Artikel mit der Überschrift »Müller & Müller in Dingenskirchen – war da ein Dritter im Spiel?« befasste sich ausschließlich mit den Partygästen des Todesabends. Alle bisher Aktenkundigen waren auf Einzelfotos nebeneinander abgebildet. Unter ihnen war die neue Tatortkommissarin, die Schauspielerin Kuki Bobito, die augenscheinlich, wie die Rote Müllerin (Luchs) und der Erfolgsproduzent (Löwe) zur Gattung der Raubkatzen gehörte. Sie war ein Panther. Ich blätterte in meinen Notizen zurück. Groß- und Kleintiere. Da stand es. Fraglos, welcher Tiergattung ich zuzuordnen war. Ich war auf jeden Fall ein Kleintier, ein domestiziertes Tier. War ich ein Welpe, ein Küken, ein Lamm? Was auch immer ich war, ich war etwas, das Raubkatzen zum Frühstück verspeisten, da gab ich mich keiner Illusion hin. Ich war ein Happen für den hohlen Zahn.
    Gäste auf Müllers Party waren außerdem Müllers »Leibarzt« gewesen, der mir bekannt vorkam, Béla Schlosser, ein blonder »Star-Cellist« – und der Modemacher David Königstein.
    Aber das war ja mein Nachbar! Mein kajaläugiger, extrem beringter Nachbar David, der mich »King Michael« getauft hatte, der das Matrosenhemd zur Maojacke von Rizz gemacht hatte, David, der Haschdealer, war am Todesabend der Roten Müllerin in der Gelben Villa zugegen gewesen! Ich begann, den Überblick zu verlieren, aktualisierte mein Strickmuster, pinnte es neben die Artikel an die Wand und schrieb mit Bleistift das Datum darauf. Es klopfte an der Tür.
    »Herr Rothe? Herr Rothe? Sind Sie zu Hause?«
    Das war Frau Puvogel. Ich öffnete, blieb kurz im Türrahmen stehen und gab dann den Weg frei. Es war unmöglich, ein Flurgespräch mitmeiner Vermieterin zu führen, die es liebte, zu jeder Tageszeit ankündigungslos aufzutauchen. Ich brachte es nicht fertig, sie abzuweisen. Ebenso hätte ich Mutter plötzlich den Zugang zu meinem Kinderzimmer verwehren können.
    Frau Puvogel, ganz in Altrosa, drängte wie eine schwere albanische Sturmflut in mein Wohnzimmer, ein Glas orangefarbenen Inhalts in der Hand. Skeptisch schaute sie sich in der Wohnung um.
    »Nanü? Noch nicht neu eingerichtet?« Sie fuhr mit dem Finger über den Staubfilm des Fensterbretts und starrte sich dann an meiner Recherchewand fest, während sie meine Schulter tätschelte. Frau Puvogel hatte die Angewohnheit, mich ständig zu kraulen, in einer Mischung aus Besitzerstolz und Beiläufigkeit, als sei ich ein Meerschwein. Ich war tatsächlich ein domestiziertes Tier. Ich erregte anderer Leute Brutpflegetrieb.
    »Das ist doch ...« Sie ließ mich los, zeigte auf ein Foto des Cellisten und zog geräuschvoll Luft durch die Nase. »Der hat hier mal die Tür eingetreten.«
    »Der Cellist?«
    »Ich hasse den. Warum hängen all diese ...«
    Ich hätte sie nicht hereinlassen sollen, dachte ich und

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