Zungenkuesse mit Hyaenen
herauszuziehen.
Aber ich hatte keine Hilfe. Ich war ganz allein. Ganz allein auf der Welt. Ich stand im Wohnzimmer und versuchte, klare Gedanken zu fassen. Den Bestseller musste ich lesen, und zwar schnell, doch eigentlich war er Schnee von gestern, und mit der original Rotlichtlampe der Roten Müllerin konnte ich auch schlecht punkten. Blieb nur das Honigbuch! Ich hatte es ja praktisch vorab verkauft! Wo war es? Dort, in der Tüte! Die Zeit lief mir davon. Ich packte die Tüte, lief hinaus, blickte in den Fahrstuhlspiegel und erschrak. Dressed to kill! Ich trug ja noch die rote Lockenperücke. Mit Schrecken dachte ich an die Rokoko-Party, riss mir die Perücke vom Kopf, stopfte sie in meine Jackentasche und lief ins Leuchtturmbistro.
»Hast du was gegen Honigflecken?«
»Klarhabbisch.«
Er wühlte in einem staubigen Regal und kam schließlich mit einem Fläschchen Fleckenlöser zurück. »Fleck weg«, stand da. »Ketchup, Fett, Rost.«
»Honig steht nicht drauf.«
»Honnisch, Honnisch ...«
Er verschwand im Lager, kam mit leeren Händen wieder zurück, bedeutete mir, dass ich warten solle, und griff zum Telefon. Dort sprach er mit kehligen Lauten auf jemanden ein, der ihm jedoch sofort das Wort abschnitt.
»Honnisch geht mitte warme Wasser raus, sagt meine Frau. Warme Wasser klarhabbisch.«
»Aber ist auf Papier. Wasser und Papier – nix gut.« Ich ertappte mich dabei, gebrochen mit einem Ausländer zu sprechen.
»Honnisch ist auffe Papier?«, fragte Klarhabbisch.
»Ja.«
Ich löste das Honigbrikett aus der Tüte. Es machte das Geräusch eines sich öffnenden Klettverschlusses.
»Das sind wichtige Aufzeichnungen. Sie müssen gerettet werden.«
»Für dein Geschischt?«
Ich nickte.
Klarhabbisch wiegte den Kopf und begann mit dem Finger auf dem goldenen Einband herumzuwischen. Der Honig färbte sich dunkel.
»Du machst es nur schlimmer!« Ich zog ihm das Honigbuch weg, nieste und tastete nach meinen Augentropfen.
An Klarhabbischs Finger hing ein Faden. Er steckte den Finger in den Mund, das Ferkel. »Versuch Schemmisch Reinigung um die Ecke.«
Die Idee war gar nicht so dumm. Ich kaufte Klarhabbisch eine Flasche russischen Wodka ab und eilte, meine henkellose Papptüte umarmend, in die Reinigung.
»Wir reinigen doch kein Papier!«, sagte die Frau hinterm Tresen. Aber da ich mich nicht abweisen ließ, holte sie ihren Chef, der, wie sie nicht ohne Stolz zu berichten wusste, ein studierter Chemiker sei. Offenbar interessierte mein Problem den studierten Chemiker. Er warf einen Blick auf die Perücke, die rot aus meiner Jackentasche quoll, bat mich in sein Büro, klemmte sich eine Lupe ins Auge, schlüpfte in Einweghandschuhe, drehte das Buch vorsichtig in den Händen, schnupperte, kratzte, lüpfte die einzelnen Seiten und zog sie millimeterweise auseinander.
»Wir haben es hier mit verschiedenen Problemen zu tun? Schauen Sie ruhig mal hier?« Er sprach jeden Satz wie eine Frage und hielt das Buch dicht unter seine Lampe. Ich stellte meine Tüte ab und schob den Kopf unter den heißen Lichtkegel.
»Aus dem Licht?«, sagte der Chemiker.
Ich zog den Kopf zurück.
»Honig besteht im Prinzip nur aus Zucker, Fruchtzucker, Traubenzucker und ein bisschen Farbe, ja? Wenn er frisch ist, kann er leicht mit warmem Wasser entfernt werden? Dieser Honig ist aber nicht frisch, ja? Er ist mindestens zwei Wochen alt, wenn nicht älter, ja? Hier, diese Verharzung? Und die schwarze Färbung durch die Staubpartikelchen?«
Ich nickte. Der Chemiker drehte das Buch unterm Licht.
»Noch schlimmer ist es, dass es sich bei dem verschmutzten Material nicht um Textilien, sondern um Papier handelt, wenn auch kein billiges, sehen Sie, wie glatt und glänzend es ist? Geleimt mit Baryt-Strich, ich würde auch sagen, dass da eine ganz feine Gelatineschicht drauf ist? Das ist schon mal gut? Aber in dieses Buch wurde mit drei verschiedenen Stiften geschrieben: Mit Bleistift, mit Kuli – nein, mit zwei verschiedenen Kugelschreibern ... und mit Füller, sehen Sie, hier? Und hier? Und hier? Die haben alle unterschiedliche Eigenschaften? Das muss man alles berücksichtigen? Nehmen wir nun die nichtwässrigen Lösungsmittel: Perchlorethylen, Kohlenwasserstoff-Lösungsmittel, spezielle Ester, Silane oder überkritisches Kohlendioxid, wie wir es aus der Graffitientfernung kennen – da ginge vielleicht was? Damit könnte man zumindest die Papierstruktur wiederherstellen? Für die Schrift kann ich nicht garantieren?«
»Die Schrift ist
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