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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Zwischenzeit genutzt hatte, um sich eine Zigarette anzustecken.
    »Hier ist Rauchen verboten!«
    Ich zeigte auf ein unübersehbar großes Schild an der Tür.
    »Na, so ein Pech!«
    »Aber die Brandgefahr, der Sauerstoff!«
    Lächelnd hielt sie mir die Wodkaflasche hin. Glenn Close verabreicht Michael Douglas in »Eine verhängnisvolle Affäre« im Fahrstuhl eine Fellatio. Ich setzte an und trank drei, vier Schluck. Jetzt war es auch egal. Wir würden sowieso sterben.
    »Machen Sie nichts kaputt«, sagte ich, als ich sie mit dem Honigbuch hantieren sah.
    »Ich bin vom Fach.«
    »Wirklich?« Ich schöpfte Hoffnung. »Was sind Sie denn?«
    »Restauratorin.«
    Es rauschte länger.
    »Tatsächlich? Und kann man das Buch – restaurieren?«
    »Nennen Sie mir die Adresse bitte«, sagte die Männerstimme.
    Der Schnaps brannte in der Kehle. Ich brachte kein Wort hervor. Es war das Krückenmädchen, das den Pfeifton abwartete und laut und ruhig die Adresse ansagte. Sie war so viel besonnener als ich. Ich war auf einmal unendlich froh, nicht allein zu sein. Die Männerstimme wollte nun genauere Angaben.
    »Wir sind zu zweit«, stieß ich hervor, den Tränen nahe. »Ich und eine ...« Was sagte man da jetzt?
    »Gritli Hürlimann, sechsundzwanzig Jahre alt, schwerbehindert. Was noch? Vollwaise, heterosexuell, ledig, keine Kinder. Außer mir ist ein junger Mann hier, ein Journalist, der wird sicher schon – vermisst. Oh, Scheiße, das hat sich gereimt.«
    Ich sah sie zornig an. Es rauschte, dann herrschte Stille.
    »Sie dumme Gans«, stieß ich hervor, »Sie dumme, dumme Gans.«
    »Vorsicht, sonst restauriere ich Ihr scheiß Indiz nicht.«
    Sie setzte erneut die Schnapsflasche an und fixierte mich kampflustig, während sie trank. Es knarrte. Hatte sich die Gondel bewegt? Meine Beinkraft verließ mich. Ich hockte nun, mir war schwindelig, ich unterdrückte einen Niesreiz, tastete nach den Augentropfen, aber fand sie nicht, es schepperte. Mein Smartphone war aus der Hosentasche gerutscht. Das war die Lösung! Ich würde Frau Puvogel anrufen! Und Mutter! Und Big Ben! Warum war mir das nicht gleich eingefallen? Mit zitternden Händen durchsuchte ich den Speicher. Der Wodka wirkte. Ich wusste gar nicht mehr, wonach ich suchen sollte.
    »Das wird nix«, sagte Gritli. »Funkloch.«
    Wir tranken wortlos. Meine Blase war zum Äußersten gefüllt. Anderthalb Liter Urin passen rein, in Ausnahmefällen zwei. Harnverhaltung darüber hinaus kann zum Platzen der Blase führen.
    Diese Schweizerin! Wäre sie nur nicht da, dann könnte ich hemmungslos in die Ecke pinkeln. Und überhaupt, was ging sie mein Smartphone an? Sie studierte gerade ausgiebig den Speicher. »Oh, Mutter auf Kurzwahl eins«, sagte sie. »Verstehe.«
    »Auf Kurzwahl zwei ist sie übrigens auch«, sagte ich und nahm ihr das Smartphone wieder weg. Stand es ihr zu, über Mutter in einem solchen Ton zu sprechen?
    »Das mein ich doch nicht böse. Ich hätte meine Mutter auch auf Kurzwahl eins, Scheiße, dass sie tot ist.«
    Die Spiegel verzerrten sich. Vater hatte ich gar nicht eingespeichert. Auch, als er noch lebte, nicht. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen. Wie lange müsste ich Mutter auf den Kurzwahltasten 1 und 2 lassen, wenn sie stürbe? Einen Monat, ein Jahr? Und wer würde an ihrer statt Platz 1 und Platz 2 erobern? Die Rote Müllerin! Aber die war ja auch tot. Deswegen war ich ja auch nicht mit ihr im Fahrstuhl eingesperrt. All die Spiegel, ihre roten Locken, die Vampirhaut, ihr Blick. Sie könnte mich Wodka aus ihrem italienischen Stöckelschuh trinken lassen. Ich betrachtete die Füße der Schweizerin. Starr, in braunen Mokassins, standen sie zwischen den Krücken.
    »Tataah«, rief sie, zog mir die rote Lockenperücke aus der Jackentasche und sich über ihr Kopftuch. Ich starrte sie an, die Rote Müllerin war mir erschienen.
    »Ich muss zur Toilette«, sagte ich.
    »Hier ist aber keine scheiß Toilette«, sagte die Schweizerin lakonisch, nahm die Perücke wieder ab und betrachtete sie ausgiebig.
    »Ich muss austreten«, beharrte ich, als könnte sie mein Problem lösen.
    »Groß oder klein?«
    Das Biest.
    »Teilnehmer?«
    Die Männerstimme, die rettende Männerstimme.
    »Ja? Wir sind hier. Holen Sie uns raus, verdammt!«
    »Bitte bewahren Sie Ruhe! Kriegen Sie Luft? Bemerken Sie Müdigkeitserscheinungen?«
    »Mein Kumpel hier muss austreten«, rief Gritli vergnügt und setzte mir die Perücke auf. Ich riss sie herunter und stopfte sie zurück in meine

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