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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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hatte den Eindruck, dass er mich komplett durchschaute.
    »Ich dachte, Sie sprechen nicht?«, sagte ich überrascht. »Ich dachte, Sie wollen niemanden sehen?«
    »Schau an, er liest dein verlogenes Schmierblatt«, rief Müller Big Ben zu, während er einen Text in sein Smartphone eintippte.
    »Er liest es nicht nur, er schreibt sogar dafür«, rief Big Ben ohne jeden Anflug von Protest, hahaha. Und zu mir gewandt, sagte er: »Abiit, non obiit! – Er ist weggegangen, nicht untergegangen!«
    Der Cellist hatte indessen seinen Vortrag beendet, stieg hinunter in den schütteren Applaus und näherte sich uns. Dabei streifte sein Blick den Erfolgsproduzenten. Ich deutete Verachtung hinein.
    »Sie müssen«, sagte Müller zu mir, »nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. Zumal in seiner. Darf ich vorstellen, Herr Teuben, mein Leibarzt, ein vorzüglicher Mediziner, aber kein großer Kenner menschlicher Abgründe. Wir unterhalten uns gerade über die Scharia und befinden uns in einem ethischen Dilemma.«
    »Advocatus Diaboli!«, dröhnte Big Ben und entfernte sich, um anderswo seinen Gastgeberpflichten nachzukommen.
    »Vielleicht können Sie helfen?«, fragte mich Müller. »Was halten Sie vom Steinigen von Ehebrecherinnen?«
    Mutter hatte mich Partykonversation gelehrt, auch gehobene Partykonversation, aber für Themen wie das Steinigen von Ehebrecherinnen war ich nicht präpariert.
    »Ich lehne es ab.«
    »Dachte ich mir«, sagte Müller gelangweilt und winkte jemandem.
    Natürlich! Um das Interesse dieses Mannes zu erwecken, hätte ich »Ich bin dafür!« antworten und ein zynisches Bonmot nachschieben müssen.
    »Gürkchen!«
    Müllers Assistent, einen zu großen Napoleon-Hut auf dem Kopf balancierend, sprang heran und kredenzte dem Chef Zigarre und dreiflammiges Sturmfeuerzeug. Er war klein von Wuchs, mit ernstem Gesicht: eine Stummfilmfigur, entfernt Buster Keaton ähnelnd. Müller schob die von Gürkchen angereichte Zigarre quer an seiner Nase vorbei, sog ihren Duft ein, steckte den Stumpen in den Mund, um ihn kräftig einzusabbern und dann zu entzünden. Das Feuerzeug rauschte wie ein Schweißgerät. Der Leibarzt hatte sich lautlos entfernt. Müller vertiefte sich wieder in Smartphonetipperei. Er verhielt sich, als sei auch ich nicht mehr da. Er hatte keinen angemessenen Gesprächspartner in mir gefunden. Wie auch?
    »Eine schöne Party«, sagte ich.
    Müller winkte paffend ab. »Ich hasse Partys.«
    »Ein schönes Haus«, sagte ich mit wachsender Beklommenheit.
    »Meins ist schöner«, sagte er.
    Ha! Zu diesem Thema konnte ich etwas beitragen. »Ja, ich fuhr neulich daran vorbei, an der Gelben Villa.«
    »Sie fuhren nicht vorbei, mein Freund«, Müller ließ sein Smartphone sinken und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Sie lagen dort zwei Nachmittage auf der Lauer.«
    Ich verschluckte mich und fing an zu husten.
    »Fast hätt’ ich ein Mitleid mit Ihnen gekriegt und Sie auf eine Nutte hereingebeten.«
    Hatte er Nutte gesagt oder Minute?
    »Hören Sie«, er winkte mich heran, ich beugte mich dicht über ihn und roch sein Aftershave. »Der Alte hat bei mir einen gut. Hab ihm versprochen, mich mit Ihnen zu treffen. Rufen Sie in meinem Büro an, schönen Gruß von mir, Sie wollen einen Termin.«
    Ich bedankte mich überschwänglich, dann wurde zum Essen gerufen.
    »Endlich Weiber«, knurrte Müller.
    Der Assistent fuhr ihn hinaus. Müller tauchte in den bunten Hofstaat ein wie in sein eigentliches Element, umgeben von Hofnarren, schrillen Höflingen und gelehrigen Zöglingen, die Lieblingsfrau immer in Griffnähe. Big Ben sagte ein paar Worte, alle lachten und applaudierten, Gräfinnen, Baronessen, Zofen und Prinzessinnen leckten an Müller herum, erst, als Big Ben das Büfett eröffnete, ließen sie von ihm ab, um wie eine Horde wilder Affen darüber herzufallen. Mutter hasste Drängler und Gierschlünde! Ich ordnete mich, obwohl unbändig hungrig, hinten in die Schlange ein, gleich nach dem Cellisten, der die Perücke vom Kopf zog und den verschwitzten blonden Schopf schüttelte. Er roch wie ein nasser Hund. Der Büfettverkehr war zähflüssig. Schließlich taten sich die beladenen Speisetische vor uns auf. So muss KolumbusAmerika erschienen sein! Plötzlich hielt der Cellist inne, fluchte und begann, mit der flachen Hand auf der Schinkenplatte herumzutasten.
    »Mist«, sagte er und sah mich blicklos an. »Meine Kontaktlinse ist in den Parmaschinken gefallen.«
    »Serrano«, korrigierte ich, als sei

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