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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Straßenbahnen krochen wie träge Raupen dazwischen umher. Die Fensterscheiben klirrten leicht.
    Türklingeln schreckte mich auf. Ich erwartete ja niemanden. Da ich aber fest entschlossen war, als Großstädter ein gastfreundliches Haus zu pflegen, schritt ich zur Tür, mit Frau Puvogel rechnend. Es war aber Gritli, die aufgeregt mit einer Zeitung vor meinem Gesicht herumwedelte. Aber das war ja ich! Mein Foto im Mittagskurier! Sogar mehrere! Ich hemdsärmelig neben Kuki Bobito mit rosa Perücke, beide mit traumtänzerisch hochgerissenen Armen. Voodoo. Über uns schwebte, leicht gekippt, der Teller. Kuki sperrte Maul und Augen weit auf. Dann ich mit dem Cellisten, wir beide zerren an meinem roten Samtsakko.
    In Gritlis Ansehen war ich durch die Abbildung meiner Person im Gesellschaftsteil des Mittagskuriers gestiegen. Neulich noch hatte ich in ihre Flasche uriniert, heute schon tanzte ich mit der neuen Tatort-Kommissarin. Gut, in der Bildunterschrift stand nur »Kuki Bobito, die neue Tatort-Kommissarin, hat Spaß mit einem Partygast«, und in der anderen stand »Streit um eine Jacke – Béla Schlosser, das Enfant terrible der Rizzer Musikerszene«, aber immerhin. Alle anderen Gäste waren namentlich im Artikel erwähnt. Nur Müller nicht. Von Müllers Anwesenheit kein Wort, obwohl er doch die eigentliche Sensation der Party gewesen war. Seltsam.
    Ich bat Gritli herein, war ihr aber wieder fern. Zwischen dem Fahrstuhlerlebnis und heute lag der gestrige Abend. Er trennte uns. Ich hatte den Eindruck, Gritli war eine Nummer zu klein für mich geworden.
    »Was war denn da los?«, fragte sie und zeigte auf den Cellisten.
    »Ach, ich hatte eine Jacke an, die hier im Schrank hing, und es war offenbar seine.«
    »Ja, der hatte was mit der Müller«, sagte sie. »Der ging hier ein und aus. Und, wie ist die Tatort-Kommissarin so?«
    »Wie soll sie schon sein?«, sagte ich lässig, »ganz normal.«
    Das alte Journalisten-Credo fiel mir ein, das mich der Chefredakteur des Grimmelshausener Anzeigers gelehrt hatte. Immer dabei sein, nie dazugehören. War ich nur dabei? Gehörte ich bereits dazu? Wollte ich dazugehören? Big Bens Haus hatte mich beeindruckt, die Hautevolee von Rizz, der Zigarrenmief, die Puderperücken, das Herrenzimmerr, die unterwürfigen Pressefotografen. Es hatte einenganz eigenen Reiz, Prominenten, die man nur aus Zeitungen kannte, in Person gegenüberzustehen, insofern leuchtete mir auch Gritlis Erregung ein. Für sie war nun auch ich ein Star; und zwar einer, den sie persönlich kannte.
    Vor allem die Begegnung mit Müller ging mir nach. Seit Tagen versuchte ich, an ihn heranzukommen, und dann karrte das Schicksal ihn mir direkt vor die Füße. Aber wenn ihn Big Ben so gut kannte, warum fragte er ihn nicht selber, was in der Tatnacht geschehen war? Hatte er Angst vor ihm? War er ihm verpflichtet? Das konnte gut sein. Ein so großer Name. Ein solcher Brachialmann. Wie gut er über mich im Bilde gewesen war, sogar über Mutter hatte er vertraulich gesprochen. Die halbe Nacht hatte ich nicht schlafen können, weil mir, wie immer zu spät, jede Menge geistreicher Erwiderungen eingefallen waren. Hatte Müller mich wirklich zur Steinigung untreuer Frauen befragt? Hatte Kuki Bobito mir wirklich zugewispert, dass ich geil aussehe?
    Gritlis Blick fiel auf das Foto der Roten Müllerin. Dann auf mein zerwühltes Bett. Dann auf die Wollmäuse, die übers Linoleum tanzten. »Du könntest mal durchfeudeln«, sagte sie.
    Durchfeudeln. Das Wort klang frivol aus ihrem Mund. Du könntest mich mal so richtig durchfeudeln. Feudel! Mich! Durch! Ich hatte bereits versucht, sie mir nackt vorzustellen, so wie ich es gewohnheitsmäßig mit allen Frauen tat, die mir begegneten, aber es war misslungen. Mach mir’s, Gritli. Nimm ihn in den Mund, Gritli. Undenkbar. Mir die Rote Müllerin nackt vorzustellen oder Kuki Bobito, das war überhaupt kein Problem, im Gegenteil, das war eine Freude. Sogar Frau Puvogel war mir im Traum schon im Evaskostüm erschienen. Aber mit Gritli war es wie mit Mutter – der Gedanke verbot sich von selbst.

AFFÄREN
    Sie neigten beide nicht zur Eifersucht, wie alle Raubtiere. Die Müllerin war ein Luchs, eine geschmeidige, hochbeinige Wildkatze mit rückziehbaren Krallen, und Müller war ein Löwe, der König der Tiere, ein schweres, zottiges Tier voller Kampfeskraft, das Tier mit dem größten Hunger von allen. Es genügte ihnen, beim anderen an Position eins zu stehen. Ansonsten stillten sie ihren Hunger,

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