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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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kannte die Schlüsselszenen auswendig. Ich hatte Mutters Faible für alte Filme übernommen. All die Jahre, all die Filme!
    Wenn man so eng zusammenlebt wie Mutter und ich, dann ist es schwer, seine Privatsphäre zu behaupten. Noch schwieriger ist es, eine Privatsphäre zu fordern, wo vorher nie eine war. Als ich Pickel bekam, fettige Haare und einen unangenehmen Körpergeruch, kurz, als ich anfing, zu adoleszieren, war es mir arg, mich plötzlich im Bad einschließen zu wollen, und ich tat es nicht. Ich wusste, das würde Mutter kränken, ich ließ die Badtür unverschlossen, aber ich hängte ein Handtuch vors Schlüsselloch. Ganz und gar undenkbar wäre es gewesen, eine eigene Telefonnummer zu fordern oder gar einen eigenen Computer. Ich hatte youporn.com gefunden und gelernt, wie man nach dem Googeln Verlauf und Cookies löschte, als ich gemeinsam mit Mutter an der Volkshochschule einen Computerkurs absolviert hatte. Da wir uns sogar eine E-Mail-Adresse teilten, der Computer aber glücklicherweise in meinem Zimmer stand, hatteich mir stillschweigend eine weitere E-Mail-Adresse zugelegt, ganz für mich allein, und das einzige Geheimnis meiner virtuellen Kommunikation bestand darin, dass ich Partnerschaftsanzeigen beantwortete. Ich beschrieb mich nicht als mageres, tropfnasiges, von Allergien geplagtes Bürschchen, das unter einem zu kleinen Geschlechtsteil litt, vielmehr als pfundigen Akademiker, gut verdienend, eine Sportskanone, ein Mann. Ich schickte eine Mail an Kerstin, 24, bildhübsch, kinderlieb, treu, die auf der Suche war nach einem aufrichtigen Mann bis 35. Ich schrieb der 60-jährigen Witwe Monika, die ihre ansprechende Figur pries und tabulose Treffs anbot. Ich meldete mich bei Petra, 35, fleißig, sauber, anhänglich, die von Geborgenheit träumte und von einem Partner mit eigenem PKW. Ich schrieb Alice, 28, sehr einsam und nicht ortsgebunden, ich schrieb Heike, 34, die gar nicht mehr an ihre Chance auf Glück glaubte. Ich schrieb Liesbeth, 76, die im wohlverdienten Rentenstand war, Doreen, 49, die eine große Enttäuschung erlebt hatte, und Antje, der rassigen, vollbusigen Krankenschwester – jedoch nie in der Absicht, eine von ihnen zu treffen.
    Die Nächte verbrachte ich über den Antworten der Damen, mit pochendem Herzen, Kopfhörern, ein T-Shirt über die Schreibtischlampe geworfen, in meiner Grimmelshausener Mansarde und masturbierte. Im nebenan gelegenen Bad wusch ich mich anschließend leise und sprühte Fichtennadel-Raumspray gegen den Geruch der Sünde.
    »Warum gehst du an Krücken?«, fragte ich Gritli.
    Sie tunkte ihr Croissant in den Kaffee. Eine Unsitte, hätte Mutter gesagt.
    »Weil ich sonst umfalle.«
    »Nein, ich meine, wie ist das passiert?«
    »Bin gesprungen.«
    Was? Was? Gesprungen? Sie war gesprungen? Wohin gesprungen?Um Himmels willen, eben noch hatte ich sie über die Brüstung meines Balkons gehalten!
    »Aus dem Fenster?«
    »Klar aus dem scheiß Fenster.«
    War sie es etwa? War Gritli die Tochter des Reichmanns aus Luzern, die aus Liebeskummer gesprungen und nun laut Klarhabbisch »ganz kaputt« war? Luzern lag in der Schweiz, aber ja, und was hatte Mutter gesagt? Hürlimann, der berühmte Anwalt aus Luzern. Luzern! Sie war es!
    »Und warum – bist du gesprungen?«
    Sie musterte mich von oben nach unten und wieder hinauf, wie um herauszufinden, ob ich die Antwort wert sei. Mir wurde flau. Hätte ich gekonnt, ich hätte die Frage zurückgezogen.
    »Aus Liebeskummer«, sagte sie.
    Ich schloss die Augen. »Wie war das, zu springen?«
    »Wie soll das gewesen sein, dämlich!«
    »Nein, ich meine, wie ging das? Gleich mit einem Satz über die Brüstung? Kopfüber oder Bombe? Hattest du Angst, dass es weh tut oder dass du es dir auf halbem Weg anders überlegst, hast du geschaut, ob jemand unten steht, den du verletzen könntest?«
    »Ganz schön neugierig! Also, warte mal, wie war die Scheiße? Ich hab mich über die Brüstung gebeugt, und der Kummer hat alles in meinem Körper zusammengezogen, als wäre drinnen alles verklumpt. Ich meine, der Mann, in den ich verliebt war, war schön, lustig, begabt, muskulös. Und ich sollte ihn nie, nie haben. Es war, als würde der scheiß Beton unten mich locken, als würde er rufen, komm, Gritli, kopfüber, dein Leben ist eh im Arsch, spring, spring!«
    »Warst du ruhig oder aufgeregt?«
    »Mein Herz hat geknallt. Piff piff piff piff. Und ich wusste, jetzt tue ich es, jetzt.«
    »Und dann?«
    »Ich war plötzlich total ruhig. Ich hab mich

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