Zungenkuesse mit Hyaenen
frei gefühlt. Ich hab an was Schönes gedacht, an Friedchen, meine Katze. Die Erinnerung war so intensiv, dass von Friedchens Schnurren mein Körper vibriert hat. Ich hab mich auf die Brüstung gehockt und dann einfach seitlich wegkippen lassen, bin auch zusammengerollt geblieben, Arme um die Knie. Ich hab den Flug als wunderschön empfunden, den Rest weiß ich nicht mehr. That's all!«
Ihr Gesicht bekam einen trotzigen Ausdruck.
»Man findet keinen Mann in diesem Kacknest! Nur Schwule, überall nur Schwule. Ich bin umgeben von Schwulen. Nachbarn, Lehrer, Freunde, alle schwul. Du bist ja bestimmt auch schwul?«
Ich wusste nicht, warum, aber ich nickte.
HENGST
Béla ist weg. Felicitas räumt die Wohnung auf. Aschenbecher, Gläser, Flaschen, Teller mit Hühnerknochen. Die Kirchturmuhr schlägt eins. Sie wird noch zwei Stunden arbeiten können, bevor sie schlafen geht. Sie langweilt sich so schnell in Gesellschaft. Da könnte Zeus persönlich herunterkommen, sie würde sich langweilen.
Affären! Verjüngungskuren oder lästige Lebenszeitdiebe? Wenn man die Liebhaber wie Nachttischlampen ein- und ausknipsen könnte, ja dann. Aber so. Entweder sie sind nicht terminflexibel, oder sie hängen ihr am Rockzipfel. Entweder sie sind zu anstrengend oder nicht anstrengend genug.
Béla liegt vor ihr wie ein aufgeschlagenes Buch. Sein Lebenslauf gibt nicht mal fünf Minuten Tatort-Handlung her. Er verachtet die Springerpresse, liebt bolivianische Spielfilme, ist gegen die Globalisierung und für Frieden in Afghanistan. Er trennt den Müll, lässt die Wäsche noch von Mutti waschen, hat 2500 Follower beiTwitter, ist Mitglied der Facebook-Gruppen »Homophobie – nein danke!«, »Rock gegen Rechts« und »Sag JA zu erneuerbaren Energien« und »kindelt« Bücher ausschließlich aus der Spiegel-Bestsellerliste.
Seine Überzeugungen sind so stromlinienförmig wie hohl, seine Meinungen nachgeplappert und von Tagesaktualität bestimmt. Er ist ein Ausbund an Vorhersehbarkeit, man muss ihn textarm führen, und je mehr er der Roten Müllerin verfällt, desto grausamer wird sie gegen ihn. Sie nimmt seine Liebeserklärungen enerviert entgegen, aber sie ist zu träge, einen neuen Liebhaber abzurichten, zu triebhaft, um ohne Affäre zu sein.
Sie hat ihn zwei Monate vorher im Festspielhaus von Rizz aufgerissen. Ein nordischer Typ, der in einem Dogma-Film mitspielen könnte, ein Rizzer, der auch ein Däne sein könnte. Auch Müller, der neben ihr in der ersten Reihe sitzt, scheint angetan. »Das ist ein Hengst«, raunt er anerkennend.
Der Hengst nimmt Platz, stellt sein Cello vorsichtig auf und setzt es wieder ab. Das Solistenpult kippelt. Er steigt hinab. Für einen Moment lang sieht es aus, als wollte er gehen. Das Publikum raunt. Die Müllerin, die das Programm bereits in der Hand geknüllt hat, springt auf und schiebt den Knüllball unters Pult. Das Pult sitzt nun fest. Der Cellist wirft ihr einen Blick zu und setzt sich erneut. Dann fährt Dvořák wie ein Spasmus in ihn hinein. Wie die Musik in diesem Körper rumort, noch bevor sie rausdarf, denkt die Müllerin, und Müller flüstert ihr etwas zu. Sie versteht erst nicht, aber Müller wiederholt seine Frage.
»Was ist denn das für ein Mohrchen dort?«
Sie dreht sich um, seinem Blick folgend. Schräg hinter ihnen sitzt, mit windschiefem Afro und vorspringender Schnauze, Kuki Bobito.
»Die neue Tatort-Kommissarin«, flüstert sie zurück.
Der Cellist legt nun den Bogen an. Während die Müllerin auf seinemKlangteppich fliegt, verdreht Müller immer wieder fasziniert den Kopf nach Kuki Bobito, leckt sich die Lippen und pfeift auf die Musik. Ihn beschäftigt nur eine Frage: Ist die Dame innen rosa?
Bélas Liebesqualitäten stehen seinem Cellospiel in nichts nach. Was Felicitas ihm jedoch am meisten verübelt, ist, dass er nicht Müller ist. Sein Gesicht über ihr, aufreizend jung, mit blonder Mähne, mit Augenlidern wie Blütenblätter, mit vor Hingabe tropfendem Mund, ist nicht Müllers. Die Schultern, die sie berührt, kräftig, glatt, knirschen und knacken nicht wie Müllers. Und auch die Haut ist nicht so weich und lose. Béla ruft, wenn er kommt, ihren Vornamen, den Müller nie sagt, und auch riecht er anders, anders als Müller, frisch wie eine Zwetschge, aber abstoßend fremd.
MOORBLASE
Ich frühstückte in Klarhabbischs Bistro, mal mit Gritli, mal allein, beobachtet von kichernden jungen Männern in Matrosenhemden. Überhaupt fühlte ich mich permanent beobachtet,
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