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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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andere sagen. Aber einmal tut er etwas Ungeheuerliches. Er spricht Jane Birkin an. Abends erzählt er es seinem Freund, einem klumpfüßigen Schriftsteller. Der beschließt, Trintignant wie eine Romanfigur zu nutzen. Er wird ihn alles machen lassen, was er selber nicht machen kann. Am nächsten Tag soll er mit Birkin schlafen. Er tut es. Einfach so. Ich begriff: Jeder Mensch ist in der Lage, Unerhörtes zu tun, auch ich. Am nächsten Tag sah ich im Grimmelshausener Anzeiger die Annonce: » Mittagskurier sucht Reporter und Redakteure mit einschlägiger Berufserfahrung.« Tags drauf saß ich im Zug nach Rizz.
    Nun wurde der Film hier gezeigt. Im Kinosaal mussten wir in der ersten Reihe sitzen, damit Gritli ihre Krücken und Beingestelle unterbringen konnte, aber das machte nichts. Ich wusste, dieses wilde Schaf, das war ich, und Trintignants Weg, das war mein Weg.
    Nachts träumte ich, dass Frau Puvogel an meiner Wohnungstür klingelte und mir eine Unterschriftensammlung gegen Homosexuelle vorlegte. Beim Unterschreiben wachte ich schweißgebadet auf.
    Es klingelte tatsächlich an meiner Tür. Schlaftrunken öffnete ich, es war Gritli. Ich sah aus dem Fenster, während ich zurück in mein Bett trottete. Gritli schwang sich auf ihren Krücken hinter mir her wie ein Affe an Lianen und sprudelte über. Ob ich mir dessen bewusst sei, dass heute der Termin mit Müller anstünde. Ob ich mich vorbereitet hätte. Wie ich denn mit ihm reden wolle. Wie ich mich geben wolle. Was ich mir für einen Plan gemacht hätte. Ich sagte, ich hätte mir keinen Plan gemacht. Das sei ihr scheißklar, rief sie aus, das sei ja verdammt noch mal kein Wunder. Und ob ich denn gestern nicht richtig hingeschaut hätte in dem Film. Ich könne unmöglichallein den Weg nach oben antreten, so naiv, wie ich sei. Ich bräuchte einen Strippenzieher, so einen Schriftsteller mit Klumpfuß, der mich inszeniert, kurz und gut, sie schnappte tief nach Luft und sah mich triumphierend an: »ICH bin das.«
    Ich verstand nicht.
    »Ich bin der Schriftsteller mit dem Klumpfuß. Ich bin schnell, frech, kann gut googeln. Ich kann nicht laufen, aber ich kann dir helfen, das Richtige zu sagen und zu tun. Und deshalb – los, lad dir mal die App runter. Spy Phone. Ich hab sie schon runtergeladen. Mit der App können wir uns vernetzen und dein Smartphone als Mikro benutzen. Ich kann hören, was du mit dem Müller sprichst. Du brauchst einen kleinen Knopf im Ohr, den hab ich schon besorgt.« Sie hielt mir ein Kabel mit Ohrknopf hin.
    Ich griff nach dem Bündel, gleichzeitig griff ich nach Gritlis Schnapsidee wie nach einem Strohhalm. In der Tat fühlte ich mich dem Treffen nicht gewachsen. Ich hatte es verdrängt. Müllers Imposanz einerseits, mein Auftrag andererseits und die Phantasien, in die ich mich geflüchtet hatte, gaben mir das Gefühl, ihn bereits zu kennen. Mein Verstand wusste, dass es nicht so war, aber mein Verstand war ins Hintertreffen geraten. In Wirklichkeit hatte ich keinen Schimmer von Müller, ihn betreffend, stand ich ebenso im Nebel wie die Innenstadt von Rizz, auf die ich von oben schaute, während Gritli mich zum Test am Ohr verkabelte, aber er, Müller, war durchaus über mich im Bilde. »Sie fuhren nicht vorbei, mein Freund, Sie lagen auf der Lauer.«
    Die Dinge waren für mich schlichtweg undurchschaubar. Meine Quellen, die verlogenen Zeitungsartikel des Mittagskuriers , das sich immer mehr verknäulende Strickmuster, das honigversiegelte Tagebuch, die vollgekritzelten Kladden wurden eins, und ich begann durcheinanderzuwerfen, was davon ich mir zusammenphantasiert hatte und was stimmte. Was stimmte überhaupt?
    »So, dein Smartphone steckst du in die Innentasche vom Sakko. Wir versuchen es mal über das eingebaute Mikro. Jetzt fahr mal mit dem Fahrstuhl runter, und wenn du jemanden triffst, sagste dem einfach, was ich dir vorsage. Denk einfach, ich bin deine scheiß Souffleuse.«
    Als ich im Fahrstuhl unten hielt, stieß ich ausgerechnet auf Frau Puvogel. »Nanü? Unser Journalist«, flötete sie.
    »Ach, meine Nachtigall«, sprach Gritli in meinem Ohr.
    »Ach, meine Nachtigall«, wiederholte ich.
    Frau Puvogel zeigte sich enorm geschmeichelt von meinem soufflierten Gruß. Sie habe tatsächlich früher gesungen, sagte sie, und manchmal, nur im allerkleinsten Kreise, singe sie noch heute.
    »Was ich Ihnen schon immer mal sagen wollte ...«, setzte Gritli nach.
    »Was ich Ihnen schon immer mal sagen wollte ...«, wiederholte ich bang, als sich die

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