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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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sagt, er will mich »erobern« und überschüttet mich mit Rosen wie Gunter Sachs die Bardot. Piggie tobt und schmeißt alle Rosen aus dem Fenster. Sie benimmt sich wie eine eifersüchtige Ehefrau. Was die sich einbildet. Einziger Nachteil mit M: Ich muss jetzt immer die scheiß Perücke und die grünen Kontaktlinsen tragen. Vo hat schon fünfmal angerufen und will sie wiederhaben. Ich gehe erst mal auf Tauchstation. M. simst mir Gedichte. Ich will keine Gedichte, ich will die Hauptrolle (Lucrezia Borgia).
    Ich ergänzte: Vo = Veronika?, Immobilienguppy = Herr Puvogel?, Piggie = Hanna, M. = Müller. Müller = 50 – knapp zehn Jahre her. Nachdenklich schaute ich durchs Fenster auf die nächtliche Dorfstraße. Da war er, der Untergang meiner Heldin. Ich hatte die Rote Müllerin romantisiert, jetzt fühlte ich mich von ihrer kriminellen Energie abgestoßen. Sie war ein Parvenu, berechnend, kalt und banal in ihren Absichten. Hatte sie sich Müller nur geangelt, um reich und berühmt zu werden? Hätte es jeder andere sein können? Liebte sie niemanden, hatte sie niemals geliebt? Andererseits, was hatte sie anderes gewollt als ich? War ich nicht auch nach Rizz gekommen, um reich und berühmt zu werden? Sonnte ich mich nicht auch in anderer Leute Macht? War ich nicht auch eine Hure des Kapitals? War ich nicht auch ein Emporkömmling, nur mit dem Unterschied, dass ich noch nicht oben war? War es ihre Skrupellosigkeit, um die ich die Rote Müllerin beneidete? Andererseits, was hatte sie davon gehabt?
    M.: Das Lucrezia-Borgia-Projekt ist geplatzt.
    Ich: Scheiße. Was wollen Sie dann noch von mir?
    M.: Na, was wohl?
    Ich: Eine Beziehung?
    M.: Ich bin ein Beziehungskrüppel. Dachte eher an was Zwangloses.
    Ich: Sie kennen meinen Preis.
    M.: Umsonst ist der Tod.
    Beim nächsten Date jammere ich ihm vor, dass ich aus meiner Wohnung fliege. Bald bin ich Herrin der Gelben Villa.
    Mein Mätressenplan geht auf, wenn ich jetzt keinen Fehler mache. Bei sich lässt M. keine Frau wohnen, auch nicht vorübergehend. Ich könne gern mal zu Besuch kommen, über eine Nacht ließe sich reden (mit Zwinkern). Wenn ich einen Hausbesuch mache, will ich einen Tausender.
    Aber soll ich unter der Brücke pennen?, hab ich gefragt und mir zwei Tränen unter den grünen Kontaktlinsen rausgequetscht. Soll ich etwa anschaffen gehen? – Warum nicht?, sagte er und lachte, das sei auch so ein Traum von ihm, Zuhälter, Kardinal oder Fregattenkapitän. Ich hab gesagt, ich kenne jemanden, der mir ein Apartment zeigen will. Ob er mitkommen und für mich bürgen könne. – No Problem, sagte M., das geht aufs Haus.
    Apartment im Leuchtturm gemietet. 20. Stock, Blick über die Stadt. Genial! Gekifft, Wodka getrunken, geknutscht mit meinem neuen Nachbarn, David, Modedesigner, ein Elvis-Double. Er hilft mir beim Umzug.
    Der Immobilienguppy hat sich gleich mit M. verstanden. Er hat ihn in sein neues »Etablissement« in Dingenskirchen eingeladen. M. hat die Kaution cash gezahlt. Kein Wunder. Wir haben ausgemacht, wenn er mir die Wohnung bezahlt, darf er mich nackt sehen.
    Auch sie hatte getrunken, gekifft, mit David geknutscht. Auch sie hatte sich auf Müller eingelassen. Es war, als hätte ich unwissentlich ihre Schritte nachvollzogen und sie gleichzeitig als Lichtgestalt idealisiert. Der Unterschied zwischen ihr und mir war kleiner, als es bei flüchtigem Hinsehen schien: Sie ließ sich die Wohnung von Müller bezahlen und zog sich dafür aus. Ich ließ mir die Wohnung von Big Ben bezahlen und gab meine Seele dafür her. Welcher Striptease war anstößiger, der fleischliche oder der seelische? Aber waren wir wirklich Täter, waren wir nicht beide Opfer? Plötzlich sah ich es ganz deutlich. Die Rote Müllerin hatte ihren Traum mit dem Leben bezahlt. Und ich? War sie auch für mich gestorben, wie Jesus? Würden wir uns im Jenseits wiedersehen, in der Hölle?Die Vorstellung, der Roten Müllerin in der Hölle zu begegnen, rief angenehme Gefühle in mir wach. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: Ich müsste tot sein.
    Aber war ich nicht schon tot? War ich nicht das tote Kind, das Müller schaukelte? Nur bei flüchtigem Blick hockte ich wie die Spinne im Netz, im Zentrum des Geschehens, als Bauherr, als König, als Profiler. Nur ein Narr wie ich hatte sich an dem Gedanken berauschen können, dass er die Dinge unter Kontrolle habe. Dabei war es nichts als Malen nach Zahlen, Striche ziehen, Notizen machen, kritzeln, krakeln, sich toll vorkommen, aber nichts kapieren,

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