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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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jeden Donnerstagmorgen den Wecker stelle, um mir die grünen Kontaktlinsen einzusetzen, um ihm beim » Auf wachen « mit Smaragdaugen anzuschauen. Einer, für den ich mir die Schamhaare rot färbe (allerdings nicht rasiere).
    Dieser Mann ist der Antityp. Er ist reaktionär, fremdenfeindlich, chauvinistisch. Er ist alt, gelähmt und in Rizz berüchtigt. Piggie sagt, er ist der Teufel. Sie hasst ihn. Er hat mich gestohlen, sagt sie. Wir waren doch so glücklich, sagt sie. Vo will ihn unbedingt kennenlernen. Ich werde großzügig sein und sie zu einer Orgie mitnehmen, da freut er sich.
    Wenn M. sagt, dass ich ihn verdient habe, schwingt Schadenfreude mit. Ist er mein Fluch? Mein Buch ist Neueinsteiger auf der Bestsellerliste. Ich habe Lesungen, Interviewanfragen, mein Foto ist in Zeitungen abgebildet. Man nennt mich die Rote Müllerin. Alles läuft nach Plan.
    M. reagiert auf allerbilligste Reize. Ein bestimmter Schuh, ein bestimmter Gang, nuttige Posen, bei denen eine Frau sich den Finger oder die Lippen ableckt, sich durch die Haare fährt und/oder das Rückgrat so krümmt, als wolle sie an ihrem eigenen Hinterteil riechen. Die Signalfarbe ist Rot, rote lange Haare, rote Kleider, rote Schuhe. Der Ausschnitt kann nicht groß genug sein, der Busen sowieso. Kurze Haare, flache Schuhe, weite Kleidung nimmt M. als Fanal gegen die Männlichkeit, gegen den Mann an sich, eine Verweigerung, eine Kampfansage.
    M. sagt, Frauen müssen lange Beine haben, damit man unten besser rankann.
    M. kennt keine rauschhafte Sexualität, bei der jeder hungrig ist und ableckt und befingert, was er zu fassen kriegt. Er plant die Orgien generalstabsmäßig. Die Belegschaft: aufgeschlossene geschlechtsreife Damen und Herren, die ebenso einem FKK-Club oder einem Eisbader-Club angehören könnten. Es ist vollkommen klar, dass hier kein Schwanz in einem Männermund landet. Frauen dürfen sich berühren, aber nicht zu lange, nicht zu intensiv, nur, bis die Männer scharf werden. Frauen dürfen sich nicht miteinander verbünden oder die Männer außen vor lassen, das ist unsexy. Männer rücken sich gegenseitig bestenfalls zurecht oder helfen einander in die betreffende Dame hinein. Ein Bettspiel wie ein Brettspiel, Vereinstätigkeit, nur für Mitglieder. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt.
    Die Art, wie die Müllerin über Sexualität schrieb, törnte mich ab. Das Rationale, Abgeklärte, kalkuliert Beschreibende stieß in mir doppelt auf Gegenwehr: moralisch und romantisch. Mein von Mutter geprägtes moralisches Ich missbilligte Orgien und verurteilte sie auf das Schärfste. Mein romantisches Ich wünschte sich, dass Liebe dort im Spiel war, wo sich Leiber begegneten. Aber konnte ich das überhaupt verstehen, so fatal jungfräulich, wie mich Mutter in die Welt gestellt hatte?
    M. hört nicht auf, mich zu besiegen.
    Ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn.
    Also doch, ich hatte es geahnt. »Ich habe ihn, ich habe ihn, ich habe ihn«, hatte Gritli dechiffriert. Und ich hatte gleich von Anfang an den Verdacht, dass von Hass die Rede war. Aber warum hasste sie Müller? War sie ihm auf den Schwindel mit dem Bücherkauf gekommen? War am Ende gar nicht Müller gemeint?
    M. ist ein Klischee, und er steht auch dazu.
    Die Einträge waren nun staccatoartiger, fragmentarischer. Sie warfen mehr Fragen auf, als sie beantworteten. Die eigentlichen Geschehnisse schienen im Dunkeln zu bleiben. Was erlebten die beiden, welche Aufs und Abs machten sie miteinander durch? Worin bestanddas Katz-und-Maus-Spiel, bei dem sich beide abwechselnd die Masken vom Gesicht rissen? Ob ich das Tagebuch Müller zeigen sollte? Würde er dann die Deckung fallenlassen, sich erinnern, erzählen? Manche Eintragungen hatten einen unverstellt romantischen Ton. Begann die Müllerin, sich in Müller zu verlieben? War der Sieg, vor dem sie sich so fürchtete, sein Sieg?
    Drei Jahre M., er hat meine Art verändert, die Welt anzuschauen: Ich scanne alles ab nach Treppen, Stufen, Erdlöchern, Fahrstühlen, Rollstuhlzeichen. Unserer Beziehung jedoch stellt sich seine Behinderung nie in den Weg. Nur, wenn ich, von Dritten befragt, darüber nachdenke, kann ich die Defizite aufzählen: Ich werde nie mit ihm tanzen, Hand in Hand gehen, um die Wette laufen. Aber hab ich das je mit den Männern tun wollen, die dazu imstande waren? Tanzen? Hand in Hand gehen? Um die Wette laufen? Und die, mit denen ich getanzt habe, Hand in Hand gegangen, um die Wette gelaufen bin, hab ich die geliebt?
    Große

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