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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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sagte Jana.
    Ich betrachtete die Münder, Gritlis kleinen, breiten, mit schmalen blassen Lippen, den ausgefransten von Barbie-Oma, in deren Lippen zwei Luftballons implantiert zu sein schienen, den aufgeworfenen von David, den ich bereits geküsst hatte, den jugendlich rosigen im solariumgebräunten Gesicht von Jana, und den schlaffen, zynischen des Exmanns meiner Vermieterin. Welche dieser Lippen ...?
    Es war Barbie-Oma, die mir erst in meine Hose half und mir dann einen neuen Hugo reichte. Das musste aber nichts heißen.
    »Zum Wohl!«
    Minuten später saß ich wieder an meinem Schreibplatz, als sei nichts geschehen, als sei ich nicht ganz plötzlich und unerwartet oral entjungfert worden und wüsste nicht einmal, ob von einem Mann oder einer Frau. Was das Verrückteste war: Es war mir egal, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war. Ich las die Worte der Roten Müllerin, die sich mir in Helvetica Zwölfpunkt, einer neutralen Computerabschrift, darboten, und eine unendliche Ruhe, die an Gleichmut grenzte, machte sich in mir breit. War nicht letztlich alles egal, war nicht jeder Versuch, mit Anstand und Moral zu handeln, gegenstandslos vorm Hintergrund der Tatsache, dass der Körper stets seinen Weg suchte und fand? Warum dagegen ankämpfen, warum davor weglaufen? Hatte Mutter mir nicht die ersten 32 Jahre meines Lebens weggenommen, war nicht das »Böse«, vor dem sie mich mit Leib und Leben geschützt hatte, mein eigentliches Element? War das Böse (Sex) nicht das eigentlich Gute und das Gute (Mutter) nicht der Teufel selbst?
    Mit M. »Das Boot« gesehen. Männer und ihre Beziehungen zueinander langweilen mich, im Film und im Leben. Nicht die von M. und seinen Kumpanen organisierte Orgie ist komplex, sondern ich mache sie komplex. Sie wird erst in meinem Kopf komplex, in Wirklichkeit ist sie jämmerlich. Frauen sind dazu da, um Männer aufzuwerten. Männer sind dazu da, um Frauen zum Strahlen zu bringen. Beide Geschlechter sind ja auch unabhängig von dieser Funktion da, aber unabhängig von dieser Funktion sind sie uninteressant.
    Die »Madame«, die arme Sau, gehört auch zum Stammfickpersonal. Traurige Geschichte. Sie war früher M.s Geliebte, ist ihm immer nachgereist und hinterhergezogen. Jetzt ist sie Geschäftsführerin im »Aphrodite« und wohnt 200 Meter von M. entfernt, praktisch in Rufweite. Eine arme Sau. Eine dumme Sau. Sie schickt M. Nutten zum Discountpreis, macht kleine Besorgungen, bepflanzt seinen Garten, und ab und zu darf sie zum Family-Fucking kommen, wie ein alter Hund, der Gnadenbrot kriegt. Sie lächelt immer, aber vielleicht kommt das von den OPs. Ich habe keine Ahnung, was sie denkt. Nach allen Regeln der Logik muss sie mich hassen. Sehe ich mein eigenes Schicksal, wenn ich sie sehe?
    In M.s Orgien habe ich mich schnell reingelebt. Am Anfang war es für mich, die ich mir mein Leben lang Sexpartner selbst ausgewählt habe, ungewohnt gewesen, mit Männern zu schlafen, die mir einfach serviert werden. Irgendwelche Männer, jung, alt, dick, dünn. Männer mit großen, kleinen, krummen, geraden Schwänzen. Mit Bedacht wählt M. für diese Zusammenkünfte keine Männer aus, die besser sind als er. Sie sind zwar nicht gelähmt, können also Stellungen absolvieren, die ihm unmöglich sind, aber sie versagen verbal, in jedem Dialog. Sie sind technisch gut, aber persönlich banal, manche sogar fad. Ich habe gelernt, Männer als das zu akzeptieren, was sie in diesem Kontext sind: ein Körper, eine Zunge, Hände, Eier. Es gibt kein Hübsch und Hässlich, kein Jung und Alt, kein Gut und Schlecht, es gab nur den Sex und die unterschiedlichen Wege dorthin mit verschiedenen Körpern, die unterschiedlich riechen und schmecken, die sich mehr oder weniger intensiv anfühlen. Bin ich mit zwei Männern im Bett, mit M. und einem Fremden, dann ist die Konstellation ideal. Mit M. halte ich Blickkontakt, während der andere mich nimmt. M. will mich erst dann, wenn der Saft des Fremden aus mir herausläuft.

EIN FEIND MUSS HER
    Es war 20 Uhr 45. Ich würde Big Bens Deadline lässig einhalten können und fühlte mich der Roten Müllerin näher als je zuvor. Sie offenbarte sich mir als Mensch fernab aller Perfektion. Sie war keine Madonna gewesen, sondern ein Biest. Mit jedem Eintrag, den ich las, wuchs sie von der Wichsvorlage, von der Projektionsfläche, vom ätherischen Wohnungsgeist, von der Tingeltangel-Dame zum Menschen mit Kontur. Sie charakterisierte die Figuren, mit denen ich verkehrte, neuerdings sogar

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