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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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»Lydia, sind Sie da?«
    Schritte erklangen. Dann stand Barbie-Oma vor mir.
    »Ist der Chef weg? Haben Sie jetzt einen Moment Zeit?«
    Sie nickte, holte zwei weitere Hugos, reichte mir einen, setzte sich auf die Bettkante und hob das Glas.
    »Auf die Wahrheit«, sagte ich und blickte sie streng an, obwohl ich ihr eigentlich Mitleid entgegenbrachte.
    »Auf die Wahrheit«, wiederholte sie, heiser und ernst.
    »Wie war denn das damals, als Müller im Krankenhaus war?«
    »Nach seinem Autounfall, vor dreißig Jahren? Ich war Tag und Nacht bei ihm. Sie haben mir eine Pritsche ins Zimmer gestellt, ich habe das Piepen der Maschinen gehört, ich bin aufgesprungen bei jedem Schnaufer. Erst war er so klein mit Hut, dann fing er etwas mit der Krankenschwester an und dann mit der Frau, die den Unfall gemeldet hatte.«
    »Nein, ich meine seinen Sturz vor drei Jahren.«
    »Genauso.«
    »Waren Sie da, als er aufwachte?«
    »Klar, ich war die Einzige, die da war.«
    »Das stimmt doch gar nicht. Felicitas Müller war die Einzige, die da war.«
    »Ich war die Einzige, die da war.«
    »Sie hat sie rausgeworfen.«
    Barbie-Oma wurde immer kleiner dort auf der Bettkante und sah unendlich traurig aus.
    »Sie haben ihr gesagt, Sie seien mit Müller verheiratet.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Ich hab ihr Tagebuch gefunden.« Ich zeigte auf die Abschrift. Barbie-Oma schien zu erschrecken. »Ich war ja mit seinem Bruder verheiratet und heiße Müller. Das ist fast dasselbe.«
    »Haben wir nicht eben auf die Wahrheit getrunken?«
    Barbie-Oma blickte auf ihre am Hallux beulenden Pumps. »Sie hat mich rausgeworfen.« Dann straffte sich ihre Haltung, sie gewann den gebieterischen Ton der Puffmutter zurück und duzte mich: »Du bist'n Bulle, was?«
    »Nein!«
    »Du bist'n Bulle! So was riech ich zehn Meter gegen den Wind!«
    »Ich bin kein Polizist, ich schreibe tatsächlich für den Mittagskurier . Halten Sie es für möglich, dass die Rote Müllerin Müller töten wollte?«
    Sie überlegte kurz. »Sie war seine Alleinerbin.«
    »Ach! Seit wann?«
    »Kurz nach seinem Sturz hat er das Testament geändert.«
    »Und wer wurde dafür enterbt?«
    Sie schwieg.
    »Sie?«
    »Er hatte Andeutungen gemacht, dass ich die Gelbe Villa kriege.«
    »Haben Sie Felicitas Müller deswegen gehasst?«
    »Ach, was heißt deswegen! Die hat nur Unglück gebracht.«
    »Haben Sie sich gewünscht, dass sie, sagen wir ... tot ist?«
    Barbie-Oma sah mir tief in die Augen. Ihr zerstörtes Gesicht dauerte mich. Die Vorstellung, dass es vorhin ihr Mund gewesen sein könnte, der –
    »Bist doch'n Bulle, was?«
    Ich las Barbie-Oma den nächsten Tagebucheintrag vor:
    Ich weiß, dass M.s Leute mich hassen: Pilz, die Niedel, sein Nachbar, die hässliche Bimbo-Kommissarin, die er fickt, Gürkchen, sein tumber Assistent , Teuben, sein Arzt mit dem stechenden Blick und die abgewrackte alte Puffmutter. Keinen von denen lass ich an M. ran. Ab jetzt gehört er mir. Ich weiß, er liebt mich. Er hat es nur grad vergessen.
    Barbie-Oma stand auf und verließ das Zimmer.
    Tiefe Traurigkeit erfüllte mich, und im Doppelrausch von Spirituosen und Sex sah ich schmerzlich klar, was ich den Lesern des Mittagskuriers noch heute Nacht enthüllen müsste: eine schicksalhafte Verstrickung mit unehrenhaften Motiven und tödlichem Ausgang. Eine mörderische Geschichte, die noch längst nicht zu Ende erzählt war. Halb ergriff mich ein Reporterinstinkt, halb lähmte mich Sympathie mit meinen Hauptfiguren, in deren Riege jetzt auch Barbie-Oma aufgerückt war. Aus dem Nebenzimmer hörte ich, dass Gritli mich rief. Ich trat schnell zur Tür und verriegelte sie. Ich war Gritli dankbar, sie hatte das Honigbuch dechiffriert, aber ich wollte jetzt niemanden sehen. Ich wollte weiterlesen:
    Heute hat er mich Mona genannt. Wegen dir sitze ich im Rollstuhl, hat er gebrüllt. Du Schlampe, du Hure, du Sau!
    Mona? Klamme Angst hatte mir ans Herz gegriffen, als ich Mutters Namen hörte, zumal im Zusammenhang mit so unflätiger Beschimpfung, so ungeheurer Anschuldigung. War Müller, wie so oft, eine Namensverwechslung unterlaufen? Hatte er eigentlich »Gräfin« sagen wollen oder »Madame« – so nannte er Lydia.
    Dass es eine Querverbindung zwischen Müller und Mutter gab, ahnte ich, wenngleich ich es verdrängt hatte, aber dass ich nun nicht mehr meine Augen und Ohren verschließen konnte vor ihr, das war deutlich.
    Meine Mutter, die Schlampe, die Hure, die Sau? Ich wiederholte die unflätigen Namen leise, mit

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