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Zur falschen Zeit: Roman (German Edition)

Zur falschen Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Zur falschen Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alain Claude Sulzer
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zufällige Begegnung aussehen zu lassen, aber es war ihnen schwergefallen. Daß diese Begegnung in einem Hotelzimmer endete, erfuhr niemand.
    Sie hatten es versucht, der Versuch war gescheitert, es war ihnen nicht gelungen, ihre Vorstellung von einer endgültigen Trennung und der Rückkehr ins frühere Leben zu verwirklichen.
    Er wollte Sebastian den Brief vorlesen und hören, was er zu sagen hatte. Es klingelte zweimal, dann wurde abgenommen.
    Am anderen Hörer meldete sich nicht Sebastian, sondern dessen Mutter. Emil hatte keinen Augenblick mit ihr gerechnet. Hätte er damit gerechnet, wäre er nicht auf die Idee gekommen, dort anzurufen. Dennoch gab er seinem ersten Impuls, aufzulegen, nicht nach. Er drückte den Hörer fest an sein Ohr. Ihre Stimme hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Sebastians Stimme. Sie traf ihn unvorbereitet und schmerzhaft wie eine Ohrfeige.
    »Enz!«
    Die Stimme war schneidend und klang fast so, als habe sie seinen Anruf erwartet.
    »Hier ist Emil, Sebastians Freund.«
    Er versuchte, ruhig zu bleiben. Vielleicht war das der richtige Weg, ein erster Schritt. Er wollte einen guten Eindruck machen. Sie schwieg. Kein Ton. Kein Wort.
    Und dann: »Sie sind sein Feind.«
    Auch damit hatte er nicht gerechnet.
    Er suchte nach Worten: »Vielleicht sollten wir uns treffen.«
    »Ich wüßte nicht, warum.«
    »Wenn wir uns gegenübersitzen, können wir anders miteinander sprechen als am Telefon.«
    »Worüber sollten wir sprechen?«
    Es entstand eine Pause.
    »Ich dachte, über Ihren Brief. Und Sie würden mich kennenlernen.«
    »Wir müssen darüber nicht sprechen. Da steht alles drin, was ich zu sagen habe. Ich will Sie nicht kennenlernen.«
    »Aber ich habe keine Möglichkeit zu antworten. Ich würde Ihnen gerne antworten.«
    »Ich warte nicht auf eine Antwort. Ich erwarte überhaupt keine Antwort.«
    »Sondern? Was erwarten Sie?«
    Seine Stimme hatte sich überschlagen, und was Sebastians Mutter dann sagte, triumphierte über alles, was er noch vorzubringen hatte:
    »Sie sollen einfach aus dem Leben meines Sohnes verschwinden. Sie haben mich schon verstanden. Es steht alles in dem Brief drin.«
    »Und wenn nicht?«
    Sie antwortete nicht.
    »Wenn nicht? Weiß Sebastian von Ihrem Brief?«
    »Was geht Sie mein Sohn an, Herr Lehrer?«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Wissen Sie«, sagte sie ganz ruhig, »ich bin Ihnen gar keine Rechenschaft schuldig. Ich spreche mit meinem Sohn, worüber ich will, aber ich muß mit niemandem sonst darüber sprechen, und schon gar nicht mit einem wie Ihnen.«
    »Dann lassen Sie uns zu dritt miteinander sprechen. Das wäre eine Möglichkeit.«
    »Nein, das wäre keine Möglichkeit.«
    Zumersten Mal hatte sie die Stimme erhoben und damit ein Zeichen leichter Irritation gegeben. Oder war es etwas anderes, was sie laut werden ließ?
    »Darauf lege ich keinen Wert. Ich will und muß Sie nicht sehen. Sie sind mir in Ihrer ganzen Art widerwärtig. Leute wie Sie sind mir –«
    »Reden Sie nur!«
    »Ich habe schon viel zuviel gesagt«, antwortete sie. »Ich will nicht weiter mit Ihnen sprechen. Ich habe Ihnen den Brief geschrieben, das reicht. Ich will mit solchen wie Ihnen nicht sprechen.«
    »Das reicht nicht«, schrie er ins Telefon, »Ihr Sohn liebt mich« – und da erst merkte er, daß sie bereits aufgelegt und er alles falsch gemacht hatte und auch nichts hätte richtig machen können. Sie ließ nicht mit sich reden, sie wollte ihn nicht sehen, sie wollte nichts wissen, sie wollte ihre Einstellung nicht ändern. Sie wollte ihn hassen. Sie hatte ihr Vorhaben mit dem Versand des Briefs bereits in die Tat umgesetzt. Und wenn Veronika ihn gehört hätte? Er schaute sich um. Das Zimmer war leer, er ging durch die Räume, die Wohnung war leer. Er selbst war leer.

    Ich unterbrach meine Mutter nicht, und als Roland uns im Garten sitzen sah, zog er sich so schnell zurück, als sei die Türschwelle eine unpassierbare Grenze. Er ahnte wohl, worüber wir sprachen. Während er nicht stören wollte, schien ihn meine Mutter gar nicht zu bemerken. Aus dem Gras stieg indes jene Feuchtigkeit herauf, die mir am nächsten Tag eine schwere Erkältung mit hohem Fieber bescherte.
    Nachdem sie mir von dem jungen Mann erzählt hatte, in den sich mein Vater verliebt, den sie selbst jedoch nie gesehen hatte, dem sie, hätte sie die Gelegenheit dazu gehabt, im übrigen nicht hätte begegnen wollen, von dem jungenMann, dessentwegen er sie für immer verlassen und mit dem gemeinsam er sich

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