Zur freundlichen Erinnerung
Beifall hatte das
"Paradies-Kasino" noch nie erlebt.—
Vollkommen erschöpft schleppte sich Adam Högl am Arm seines ehemaligen Regimentskameraden immer wieder durch die getürmten Blumenhaufen, vor bis an die Rampe, kaum noch fähig, sich zu verbeugen. Und immer, immer wieder zuckte der Vorhang, fuhr sausend auseinander und in die Höhe.
Zuletzt sah es aus, als hätten sich alle Menschen da unten übereinandergeworfen und in das wüste, kreischende Plärren mischte sich endlich die Musik undschwoll an zu einem mächtigen Choral. Und regelmäßiger, breit und den ganzen Raum erbeben lassend sang es aus allen Kehlen zur Höhe: "Ooo du Pa—a—aradies! Pa—a-aradies —Kasi—ino—o—o!" daß Adam Högl buchstäblich wie halbtot seinem Kameraden in die Arme sank und aus tiefstem Glück erschüttert auf johlte: "Pa—a—aradies!"—
Einige Tage später konnte er an allen Litfassäulen in halbmetergroßen
Buchstaben seinen Namen lesen und darunter stand: "Die große Nummer".
Und jeden Abend erntete er den gleichen Beifall. Schon in der Mitte
des zweiten Monats war auf allen Plakaten, quer üher "Die große
Nummer" geklebt, zu lesen: "Zum dritten Male prolongiert!"—
II.
Ohne es selber recht innezuwerden, rückte Adam Högl in eine andere Menschen schicht hinauf. Er trug nunmehr seidegefütterte Anzüge der besten Schneider, ging mit gelassener Selbstsicherheit durch die Straßen und grüßte mit ausnehmender Vorliebe auffällig gestikulierend und so geräuschvoll, daß alles stehen blieb und lachen mußte, vornehme Gäste des "Paradies-Kasinos". Fast jeden Abend nach seinem Auftreten saß er an irgendeinem Tisch, inmitten einer fidelen Gesellschaft, trank je nach der Art seiner Gastgeber entweder herablassend beiläufig oder mit einigen Brusttönen lobender Aufmerksamkeit ältesten Wein, Bekanntesten französischen Sekt, jeden Nerv kitzelnde Liköre und sog, immer witzgerecht, mit geübt bäuerlicher, biederer Bescheidenheit alle Bewunderung der Gäste in sich hinein.
Seine berechnete Natürlichkeit wirkte bestechend bei Damen, alten Lebemännern und Industriellen. Er zotete, wenn ihn ein abfälliger, herabmindernder Witz traf, üher alles hinweg mit jenerunerschütterlichen, nie angreifbaren, hämischen Trockenheit, die entwaffnet. Mit dem ganzen unterdrückten Instinkt eines Menschen, demdie Angst vor dem Wiederzurücksinken in den Sumpf Spannkraft gibt, beobachtete er, erwog die Möglichkeiten neuer Bekanntschaften, erlistetesich notwendige Gebärden und Manieren, machte sich gutwirkende Kniffe zunutze und galt bald als der gewiegteste Weinkenner und großartigste, bewunderungswürdigste Zecher, mit dem es eine Lust war, Gelage zu halten.
Freilich, es gab auch Abende ohne Einladung, wo er am Künstlertisch in der zerwetzten Nische saß und sich mit Kollegen und Kolleginnen, die mit ihm das Programm ausfüllten, unterhielt. Artisten aus aller Herren Länder, dicke Sängerinnen, zierliche Chansonetten und schwergebaute Ringkämpfer waren da. Intrigen, Neid und Intimitäten gab es da, Vertraulichkeiten und Klatsch. Mit teilweise unverhohlenem oder auch leisem, verstecktem, stechendem Spott sahen diese weltbereisten, mit allen Wassern gewaschenen Leute auf den Neuling herab. Es war unerquicklich und feindselig in dieser Nische, alles deutete zurück in die Misere.
Draußen, im Zuschauerraum, vertrugen sich die dickaufgetragenen Freundlichkeiten vorübergehender Kollegen fast lächerlich leicht. Während er nicht selten, wenn er spät nachts den Künstlertisch verlassen hatte und heimwärts ging, zukunftsbesorgt und entmutigt war, lebte er als Gast an den Tischen der Kasinobesucher stets auf, schaute den vorübergehenden Kollegen kühn und dreist in die Augen, warf ihnen treffsichere Zoten zu und lächelte unverschämt, wenn er auf ihren Gesichtern die nur schwer zurückgehaltene Wut aufsteigen sah. Hier, in diesem Meer, dessen Wellen ihn unausgesetzt emporhoben, fühlte er sich völlig geborgen, unverfolgbar und mächtig.
Adam Högl war kein Optimist. "Nichts dauert ewig und jeder muß sich nach der Decke strecken," sagte er bei jeder Gelegenheit mit leiser Ironie, doch handelte er danach.
Gelegentlich eines wüsten Gelages mit dem Millionär van Haarskerk und seiner Gesellschaft in einem abgedämpften Hinterraum des Paradies-Kasinos ließ er sich kaltes Wasser kübelweise üher den Kopf schütten, spielte mit Meisterschaft den völlig Betrunkenen, trank gesalzenen Sekt ohne eine Miene zu verziehen, ertrug
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