Zur Leidenschaft verfuehrt
Während er durch die Tür wie selbstverständlich eintrat, sah Charley, dass er einen großen quadratischen Karton unterm Arm trug.
„Na? Was macht das Bein?“, fragte er überraschend freundlich. „Dr. Scarlarti hat mir die Tabletten dagelassen, falls Sie noch Bedarf haben.“
Charley lehnte es ab, Medikamente zu schlucken, wenn es nicht unbedingt sein musste. Deshalb schüttelte sie den Kopf und sagte wahrheitsgemäß: „Es tut zwar immer noch ein bisschen weh, aber es lässt sich auch ohne Tabletten aushalten.“
Die Tatsache, dass er voll bekleidet war, während sie auch heute wieder nur ihren Shorty trug, war viel schlimmer zu ertragen, als der Schmerz in ihrem Bein. Für Raphael hingegen schien ihr Aufzug das Normalste von der Welt zu sein. Aber das war auch kein Wunder, weil es für ihn bestimmt nicht ungewöhnlich war, sich mit einer nur spärlich bekleideten Frau in einem Schlafzimmer aufzuhalten. Ein flüchtiger Blick auf ihn genügte, um zu wissen, dass er ein Mann war, der über eine ausgeprägte sexuelle Erfahrung verfügte.
Sie schaute unwillkürlich zum Bett, wo Raphael den Karton abgelegt hatte. Dabei gelang es ihr nicht, die erotischen Bilder auszublenden, die ihre Fantasie heraufbeschwor. Und ihr Körper reagierte natürlich prompt. Heißes Verlangen stieg in ihr auf, zwischen ihren Schenkeln begann es zu pochen. Neid durchzuckte sie – Neid auf alle Frauen, mit denen er sich im Lauf seines Lebens schon vergnügt hatte. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sie es endlich schaffte, ihren Blick von dem Bett loszureißen. Auf Raphael zu schauen machte die Sache freilich nicht besser, im Gegenteil, es machte alles nur noch schlimmer. Wie konnte ihr so etwas passieren? Es war unerhört und peinlich, und vor allem war es ungeheuer gefährlich.
„Warum haben Sie nichts gefrühstückt?“ Erst Raphaels schroffe Frage brachte sie in die Wirklichkeit zurück.
„Ich bin nicht hungrig.“
„Sie müssen aber essen. Wir haben einen langen Tag vor uns. Ich werde Anna bitten, Ihnen noch einmal frischen Kaffee zu bringen, und dann treffen wir uns in einer Stunde unten.“
„Aber ich habe nichts anzuziehen. Vielleicht könnten Sie Anna bitten …“
„Nicht nötig.“
„In diesem Aufzug kann ich mich aber unmöglich unter die Leute wagen“, wandte sie ein. Als sie sah, dass er ihre nackten Beine musterte, biss sie sich auf die Zunge. Und als sie merkte, dass sie sich fragte, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn es nicht nur dieser Blick wäre, der ihre Beine berührte, sondern auch seine Hand, erschauerte sie. So etwas durfte sie nicht denken.
„Da haben Sie ausnahmsweise mal recht“, pflichtete er ihr bei, während er auf sie zuging. Sie wich zurück, bis sie die Bettkante in ihren Kniekehlen spürte.
Als Raphael noch einen halben Schritt näher kam, sank Charley aufs Bett. Ihr Herz hämmerte wie verrückt, während sie den Blick an die Knopfleiste seines Hemdes heftete, weil sie es weder wagte, auf die weichen schwarzen Härchen zu schauen, die aus seinem Ausschnitt herauslugten, noch auf seinen Hosenbund. Er streckte die Hand nach ihr aus … nein, nicht nach ihr, korrigierte sich Charley erleichtert, wobei sie den Blick von der Knopfleiste löste und auf seinen Arm schaute. Nicht nach ihr, sondern nach dem Karton, den er aufs Bett geworfen hatte.
Peinlich berührt von ihrer Fehleinschätzung, stand Charley langsam wieder auf.
„Die Sachen sind für Sie“, sagte Raphael, während er ihr den Karton hinhielt. „Ich hoffe, sie passen.“
Da er offensichtlich erwartete, dass sie den Karton in seinem Beisein öffnete, tat sie ihm den Gefallen.
Nachdem sie die Umhüllung entfernt hatte, fiel ihr Blick auf das goldene Logo eines weltweit bekannten Modedesigners, das auf dem Deckel des eleganten schwarzen Kartons prangte. Ihr wurde leicht flau im Magen. Wovon um alles in der Welt sollte sie eine Designerjeans bezahlen?
Verunsichert öffnete sie den Karton. Als sie sah, dass da zwischen den Lagen aus Seidenpapier außer einer Jeans auch noch ein T-Shirt sowie eine kurze braune Lederjacke lagen, wurde ihr noch mulmiger zumute.
Sie machte den Deckel wieder zu und drehte sich zu Raphael um.
„Wirklich, das geht nicht“, sagte sie. „Es ist … es ist wirklich nett von Ihnen, aber das …“ Sie deutete mit vor Verlegenheit brennenden Wangen auf den Karton, „… so teure Sachen kann ich mir nicht leisten.“
„Niemand will Geld von Ihnen.“
„Aber was soll das denn heißen? Ich
Weitere Kostenlose Bücher