Zur Leidenschaft verfuehrt
abzeichneten. Es war ein zutiefst demütigender Anblick.
„Obwohl es mir offengestanden ein Rätsel ist, weshalb eine Frau das Bedürfnis verspüren sollte, die perfekten Formen, die ihr die Natur geschenkt hat, unter dermaßen unvorteilhafter Kleidung zu verstecken“, fuhr Raphael fort, während Charley sich alle Mühe gab, die Auswirkungen zu ignorieren, die seine Berührung auf sie hatte. Deshalb wohl hatte sie nicht genau verstanden, worauf er hinauswollte.
Was hatte er gesagt? Hatte er wirklich von perfekten Formen gesprochen? Er meinte doch bestimmt nicht diesen Körper, den sie schon ihr Leben lang als unzulänglich empfand? Sie hatte so starkes Herzklopfen, dass ihr fast schwindlig wurde. Aber war es nicht wahrscheinlicher, dass er vom weiblichen Körper allgemein gesprochen hatte?
Verwirrt versuchte Charley, sich ihm zu entziehen und sich gleichzeitig umzudrehen, aber irgendwie gelang ihr nur letzteres, sodass sie Raphael jetzt gegenüberstand, immer noch mit seinen Händen auf ihren Hüften. Als sie den Blick hob, bemerkte sie, dass er unverwandt auf ihren Mund schaute. Ihr stockte der Atem. Unwillkürlich öffneten sich ihre Lippen, ihre Atemzüge beschleunigten sich. Was wäre, wenn er sie jetzt küsste? Sie spürte, wie seine Hände ihre Hüften fester umfassten. Wie mochte es sich wohl anfühlen, von diesen Händen gestreichelt zu werden? Sie zuckte zusammen, als ob sie einen elektrischen Schlag erhalten hätte, so schockiert war sie über ihre eigenen Gedanken. Sie wollte sich an ihn schmiegen, sich an ihn pressen. Sie wollte ihre Hand an seinen Hinterkopf legen und seinen Mund auf ihren ziehen. Sie wollte seine Berührung auf ihrer nackten Haut … sie wollte …
Abrupt ließ Raphael sie los. Er trat einen Schritt zurück und überließ es Charley sich einzureden, dass sie gerade noch mal Glück gehabt hatte. Er hatte ihren überbordenden Fantasien ein Ende gemacht. Gott sei Dank.
„Also gut“, sagte sie, verzweifelt um Normalität bemüht. „Die Jeans nehme ich, aber das ist auch das Einzige. Die Jacke brauche ich nicht.“
Raphael hatte sich in den Schatten am Fenster zurückgezogen, deshalb war sein Gesicht nur schemenhaft zu erkennen.
„Der Garten ist total verwildert“, erinnerte er sie. „Überall gibt es Dornengestrüpp und knorrige Äste. Da ist die Lederjacke einfach nur praktisch, sonst haben Sie heute Abend womöglich lauter Kratzer. Aber jetzt lasse ich Sie allein. Wir treffen uns in einer Stunde unten in der Halle. Sonst noch irgendwelche Fragen?“
Charley schüttelte widerstrebend den Kopf.
Während er von der Gästesuite über den Flur ging, hatte Raphael nur ein einziges Bild und einen einzigen Gedanken im Kopf. Das Problem dabei war, dass Bild und Gedanke im Widerstreit lagen. Das Bild war die Erinnerung daran, wie Charlotte ihn erfüllt von trotzigem Stolz anschaute, heftig atmend vor Empörung, wobei sich ihre Brüste schnell hoben und senkten. In diesem Augenblick hatte er plötzlich spüren wollen, wie sie ihre aufregenden langen Beine um seine Hüften schlang, er hatte sich ausgemalt, wie sich ihre Haut unter seinen Fingerspitzen, ihre Hände auf seinem Körper anfühlen mochten. Er hatte sie vor sich gesehen, mit leicht geöffnetem Mund in Erwartung seines Kusses, während er selbst seinem drängenden Verlangen nachgab, einem Verlangen, das sie leidenschaftlich erwiderte. Noch nie hatte er eine Frau so heftig und wider alle Vernunft begehrt. Nichts an seinem Verlangen war logisch, es war völlig unverständlich, warum er sie begehrte, schließlich interessierte sie ihn weder körperlich noch geistig noch sonst irgendwie. Er bevorzugte elegante, weltgewandte, erfahrene Frauen, kühl, sachlich, modern. Für ungestüme Querköpfe, die sich nicht richtig zu kleiden verstanden, schnell eingeschnappt waren und ein Projekt sabotierten, das für ihn selbst höchste Priorität besaß, war in seinem Leben kein Platz. Vom Verstand her war es schlicht abwegig, dass er sie begehrte, aber sein Körper sagte ihm das glatte Gegenteil.
Und was um alles in der Welt sollte er mit diesem Wissen anfangen?
Charley betrachtete sich ausgiebig im Spiegel. Vorsichtig berührte sie ihre Taille, dann zog sie sich spontan aus. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt nackt im Spiegel angesehen hatte. Wozu auch, wo sie es doch schon in bekleidetem Zustand möglichst vermied, sich anzuschauen. Es musste an der Sonne liegen, dass ihre Haut so schimmerte, überzogen von einem
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