Zur Liebe verführt: Roman (German Edition)
folgen und Nacht für Nacht nur einen Steinwurf entfernt schlafen.
Was bedeutete, dass es nicht die Gespenster sein würden, die sie wachhielten. Verdammt, er war zu einem gut aussehenden Mann herangewachsen.
Und er hatte sie noch immer nicht erkannt. Einerseits war es eine Erleichterung, andererseits schmerzte es teuflisch. Wie war es nur möglich, dass er sich nicht an sie erinnerte? Vor achtzehn Jahren war er ihretwegen grün und blau geschlagen worden und hatte einen Sommer lang einen Gipsarm getragen – und sie hatte ihn nicht trösten können, da sie unmittelbar nach dem Vorfall rasch nach Kanada verfrachtet worden war.
Als sie Ethan vor einem Monat gefeuert hatte, war es seit achtzehn Jahren der erste Kontakt mit ihrem Kindheitshelden gewesen.
In Loon Cove Lumber hatte er seine Familie umarmt, dann hatte er sich wie der edle Ritter, der er auch war, verbeugt und Anna bedeutet, in ihren Truck einzusteigen und vorauszufahren. Und die ganze Zeit über hatte er gegrinst wie die sprichwörtliche Katze, die entdeckt, wo der Kanarienvogel steckt.
Anna fuhr um eine enge Kurve und schickte automatisch ein stilles Stoßgebet zu Gramps, als sie sich der Stelle näherte, an der er vor vier Monaten von der Straße abgekommen war. Plötzlich verlor ihr Truck die Bodenhaftung, geriet ins Schleudern, und Anna riss das Steuer herum und ging vom Gas, verzweifelt bemüht, nicht von der Fahrbahn abzukommen. Das rechte Vorderrad rutschte ab, und der Wagen drohte durch sein Gewicht rasch tiefer und damit in den Abgrund zu fallen. Verzweifelt drehte sie das Steuer, trat das Gaspedal durch und manövrierte sich aus der Gefahrenzone.
Eine plötzliche Schneewolke nahm ihr die Sicht, und Anna spürte, wie der Vorderreifen wieder abrutschte, diesmal über den kritischen Punkt hinaus. Ihr Wagen schürfte an Felsen und Baumstümpfen vorbei, das Steuer sprang ihr aus der Hand. Der Wagen geriet immer schneller ins Rollen, sie wurde gegen die Tür und dann gegen die Decke gedrückt, als er unter ohrenbetäubendem Getöse auf dem Dach den Steilhang hinunterglitt.
In ihrem Sicherheitsgurt hängend, hielt Anna sich die Arme vors Gesicht, als Zweige durch die Windschutzscheibe und die Seitenfenster schlugen und gegen ihren Körper prallten. Schnee drang ins Wageninnere, bedeckte ihren Kopf und ihre Schultern und glitt wie Eisnadeln unter ihre Jacke.
Das mahlende Geräusch verstummte mit einem heftigen, endgültigen Aufprall, der ihr den Atem raubte. Der Wagen erbebte und erstarb, Stille umfing sie in einem Kokon aus verbogenem Metall und Schnee, der mit Rinde und Zweigen durchsetzt war. Sie roch Tannennadelduft, während sie mit dem Kopf nach unten in ihrem Sicherheitsgurt hing.
Anna öffnete die Augen. Um sie herum war unheimliche weiße Dunkelheit. Die Stille war erstickend; schwacher Benzingeruch ließ sie befürchten, Treibstoff könnte auf den heißen Motor gelangen. Unter angstvollem Herzklopfen verrenkte sie sich, baumelte vor und zurück und versuchte, einen freien Raum um sich herum zu schaffen. Ihre Arme waren intakt, ihre Zehen beweglich. Sie hatte keine Brüche abbekommen, saß aber in der Falle.
Sie verdrehte sich, um an den Gurtverschluss heranzukommen. Schnee fiel auf den Rücken ihrer Jacke, ein Schauer überlief Annas Kreuz und ließ sie bis ins Innerste erbeben. O Gott. Hatte Gramps das alles durchmachen müssen? Hatte er wie sie stundenlang gefangen hier liegen müssen?
Als etwas mit gedämpftem Aufprall gegen die Seite ihres Trucks schlug und ein Schimpfwort folgte, war sie erleichtert.
»Anna!«, hörte sie Ethans erstickte Stimme durch die weiße Dunkelheit, die sie umgab. Der Wagen schaukelte und presste sie gegen den Gurt. »Anna!«
Sie schlug auf den Schnee in Richtung Tür ein. »Ich stecke fest«, rief sie zurück. »Ich kann den Gurt nicht öffnen.«
»Ich bekomme die Tür nicht auf«, stieß er hervor. »Ich muss hinüber auf die andere Seite. Halten Sie sich fest.«
Sie schnaubte. Sie wurde festgehalten. Und der Schnee, der unter ihren Mantel geraten war, schmolz jetzt und lief als eisiges Rinnsal ihren Rücken hoch. Bis auf einen gelegentlichen Fluch des Mannes im Freien wurde es wieder still.
Anna drehte und wand sich und erweiterte ihren Kokon so weit, dass sie den Schnee auf die Beifahrerseite scharren konnte. Wieder erzitterte der Wagen und glitt ein Stück weiter hinunter, auf den Abgrund zu.
»Verdammt! Nicht rühren!«, brüllte Ethan.
»Holen Sie mich hier raus!«, rief sie zurück. »Ich
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