Zur Liebe verführt: Roman (German Edition)
Granitblock sie von der übrigen Welt trennen. Er griff hinter ihre Knie und hob sie hoch, ehe er dem Klatschmaul von Oak Groves zunickte. »Danke«, meinte er und schritt an der gaffenden Menge vorüber, wobei er nur mit Alex einen Blick wechselte.
Alex sagte etwas zu seiner Frau, stürzte an die Tür, um sie für ihn zu öffnen, und folgte ihm hinaus. Schweigend gingen sie zu Ethans Truck, wo Alex die Beifahrertür öffnete und Ethan Anna hineinsetzte, bevor er die Tür schloss und sich zu seinem Bruder umdrehte.
»Weißt du, was du tust?«, fragte Alex angespannt.
Ethan fuhr mit unsicherer Hand durch sein Haar. »Ich habe keine Ahnung«, musste er zugeben. Ein rascher Blick zeigte ihm, dass Anna reglos dasaß und blicklos aus der Windschutzscheibe starrte. Er ging an das Heck des Wagens. »Aber ich konnte nicht einfach tatenlos dastehen. Sieh sie an«, knurrte er. »Sie ist dem Koma nahe.«
»Schaff sie rasch fort. Aber warum hast du eure Verlobung angekündigt?«
»Als Versicherung.«
»Wogegen?«
»Gegen das, was ihr schon zugestoßen ist«, brachte er heraus. »Es soll ihr nicht wieder passieren.«
Alex schüttelte den Kopf. »Sie ist ja nicht mehr elf. Anna scheint sich gegen Männer sehr gut zu behaupten. Das hat sie den ganzen Abend überzeugend bewiesen.«
»Als Anna Segee.« Er ging um das Heck des Trucks herum. »Jeder verdammte Hurenbock diesseits der Grenze würde sofort zur Stelle sein, hätte ich nicht gesagt, dass wir verlobt sind.« Er blieb an seiner Tür stehen. »Es könnte sein, dass ich dich in der Säge brauche. Schaffst du das? Bis Freitag habe ich Zeit, um sie aus diesem Zustand zu reißen, damit sie ihrer Mutter als Anna Segee entgegentreten kann.« Er vollführte eine Geste der Hilflosigkeit. »Wenn ich es nicht schaffe, dann sind wir beide bedient.«
Alex packte Ethans Arm, als dieser nach dem Türgriff fassen wollte. »Was kümmert es dich?«
»Es kümmert mich eben.« Er öffnete den Wagen und stieg ein, ehe er Alex wieder ansah. »Weil … weil es eben so ist«, sagte er mit belegter Stimme und schloss die Tür.
Er fuhr vom Parkplatz und war sich dabei der Gegenwart
der schweigenden, reglosen Frau deutlich bewusst. Während er auf die Hauptstraße einbog und in Richtung Fox Run fuhr, war er so wütend, dass er am liebsten laut gebrüllt hätte.
Nein, nicht so sehr wütend als vielmehr erschrocken. Sie war viel zu still. Was ging jetzt in ihr vor? Alles? Nichts? Anna war so völlig weggetreten, so abwesend, dass Ethan argwöhnte, dass es nichts mit der bevorstehenden Ankunft ihrer Mutter zu tun hatte, sondern damit, dass nun die ganze Stadt wusste, wer sie war. Aber genügte die Kleinigkeit, von Penny Abigail Fox genannt zu werden, um sie binnen Sekunden in ein entsetztes kleines Mädchen zurückzuverwandeln?
Und Entsetzen war es damals gewesen. Von dem Augenblick an, als er ihr zerfetztes Kleid auf dem zum See führenden Pfad entdeckte, bis zu jenem, als er sie schultertief im kalten Wasser stehend antraf und hörte, dass sie die Jungen anflehte, sie in Ruhe zu lassen, hatte Ethan instinktiv gewusst, was sich da abspielte. Er war wütend über die Übeltäter hergefallen, und als der Staub sich legte, hatte sie die von ihm erzeugte Ablenkung genutzt, um zu verschwinden. Er hatte sie nie wiedergesehen. Seine letzte Erinnerung an sie waren ihre riesigen, erschütterten Augen und das bleiche, zerschrammte Gesicht, als sie ihre Peiniger unter Tränen um Schonung anflehte.
Ethan spürte, dass sie ihn schweigend ansah, und merkte, dass sie auf einer bestimmten Ebene ansprechbar war. Und obwohl er sich selbst wie ein Schuft vorkam, weil er sie fragen wollte, wusste er doch, dass sich nie eine bessere Chance bieten würde, von ihr eine aufrichtige Antwort zu bekommen.
Zudem musste er genau wissen, womit er es zu tun hatte, wenn er hoffen durfte, ihr zu helfen – und etwas endgültig zu begraben, das ihn achtzehn Jahre lang verfolgt hatte.
Er beruhigte sich mit einem tiefen Atemzug und sagte ganz leise: »Ich war mir einer Sache nie sicher. Haben dich die Jungen damals nur zum Spaß erschreckt, oder haben sie dich vergewaltigt?«
»Einer hat es versucht, es aber nicht geschafft«, lautete ihre kaum hörbare Erwiderung.
Er atmete bebend auf und umklammerte das Steuer fester, als sein Zorn wieder hochkam. Wie konnte jemand nach einem so verheerenden Erlebnis im Bett so unbefangen sein wie Anna? »Wer war es?«, drängte er sanft.
»Ich weiß es nicht.«
Nachdem er von der
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