Zur Liebe verurteilt
wolle ihn für eine sehr persönliche Angelegenheit engagieren und ihn deshalb in Abilene aufsuchen.
Aus ihrem Brief - auf schwerem Pergament und in vorzüglicher Handschrift - hatte er auf eine reiche Frau geschlossen, die von ihm verlangen würde, einen Mann umzubringen, der ihre Zuneigung verschmäht hatte. Bei Frauen, die ihm Briefe schrieben, ging es immer um so etwas. Wenn ein Mann ihm schrieb, um ihn zu engagieren, sollte er meistens jemand wegen Streitigkeiten um Land, Vieh oder Wasserrechte oder auch einfach aus Rache umlegen. Aber bei Frauen war es immer verschmähte Liebe. Schon vor Jahren hatte Cole darauf verzichtet, bei anderen, ob Mann, ob Frau, den Eindruck zu erwecken, er wäre etwas anderes als ein Mietkiller. So galt er allgemein als käuflicher »Friedensstifter«. Er selber sah sich allerdings eher als Diplomat. Er besaß das Talent, Streitigkeiten zu schlichten, und nutzte dieses Talent nach Kräften. Es kam vor, daß er bei den notwendigen Verhandlungen manchmal jemand tötete, aber immer in Notwehr. Er pflegte nie als erster zu ziehen.
Da die Maus beharrlich schwieg, forderte er sie auf: »Sprechen Sie weiter!« Er hatte ihr angeboten, Platz zu nehmen, aber sie wollte lieber stehen. Wahrscheinlich, weil sie ihr steifes Rückgrat nicht beugen konnte. Und sie hatte darauf bestanden, daß die Tür 15 Zentimeter weit offen blieb - damit keiner auf unrechte Gedanken kommen könne.
Sie räusperte sich. »Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt von mir denken. Sie halten mich bestimmt für eine alte Jungfer, die dringend einen Mann braucht.«
Mit Mühe unterdrückte Cole ein Grinsen. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Wollte sie ihm etwa weismachen, daß sie keinen Mann brauchte? Sicherlich hatte ein Nachbarssohn sie sitzenlassen, und Cole sollte ihn nun vom Antlitz der Erde wegputzen.
»Ich mache mir nichts vor«, sagte sie. »Über mein Aussehen und meine Wirkung auf Männer gebe ich mich keinen Illusionen hin. Selbstverständlich hätte ich gern einen Ehemann und ein halbes Dutzend Kinder.«
Nun lächelte er doch. Wenigstens war sie ehrlich und gab zu, daß sie sich nach einem kräftigen Mann im Bett sehnte.
»Aber wenn ich jetzt nach einem Mann Ausschau hielte, der der Vater meiner Kinder werden soll, dann würde ich gewiß nicht einen alternden Revolverhelden in Betracht ziehen, der über keine sichtbaren Geldmittel verfügt und schon einen Bauch kriegt.«
Das hatte gesessen. Cole richtete sich kerzengerade auf und zog den Bauch ein. Beinahe hätte er mit der Hand nachgefühlt, wie es um seine Taille stand. Vielleicht sollte er sich ein paar Tage lang den Apfelkuchen seiner Wirtin verkneifen. »Würden Sie mir dann bitte sagen, was Sie eigentlich von mir wollen?« sagte er und dachte: Von der nehme ich bestimmt keinen Auftrag an. Was sollte denn das heißen: »ein alternder Revolverheld«? He, er konnte mit dem Schießeisen noch so gut umgehen wie vor 20 Jahren! Keiner der jungen Männer heutzutage ...
Sie unterbrach seinen Gedankengang: »Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll.« Sie sah ihn streng prüfend an. »Man hat mir gesagt, Sie wären der schönste Mann von Texas.«
Cole lächelte wieder und sagte bescheiden: »Es wird viel geredet.«
»Ich persönlich finde Sie nicht besonders gutaussehend.«
Seine Hand mit der Zigarre, auf dem Weg zum nächsten Zug, erstarrte mitten in der Bewegung.
»Vielleicht haben Sie vor Jahren besser ausgesehen, aber jetzt... Sie waren zu viel in der Sonne. Ihre Haut ist wie Leder, und Sie haben einen harten Zug um die Augen. Ich vermute, Mr. Hunter, daß Sie ein hemmungsloser Egoist sind.«
Zum zweitenmal an diesem Tage war Cole sprachlos. Nach einer Weile legte er den Kopf zurück und lachte. Die Frau zeigte nicht einmal den Anschein eines kleinen Lächelns. »Also, Miß ...«
»Latham. Miß Latham.«
»Aha, Miß Latham«, sagte er in schneidendem Ton, was ihn gleich darauf ärgerte. Er hatte Männern im Kampf gegenübergestanden, die die schlimmsten Dinge über ihn und seine Vorfahren gesagt hatten. Nie hatte ihn das irgendwie berührt. Aber diese unscheinbare Frau brachte ihn mit ihren Bemerkungen über seinen angeblichen Bauch und seinen angeblichen Egoismus in Wallung. Wie konnte sie sich so etwas erlauben! Diese nichtssagende Maus - wenn sie vor einer Sanddüne stände, würde man nicht erkennen, wo der Sand aufhörte und sie anfing.
»Würden Sie mir jetzt sagen, was Sie von mir wünschen?« fragte er. Eigentlich hätte er
Weitere Kostenlose Bücher