Zurueck auf Glueck
dass alles Schlimme auch sein Gutes hatte. Wenn sie als Kind krank gewesen war, hatte sie schließlich auch nicht in die Schule gemusst, sondern stattdessen zu Hause fernsehen dürfen. Das System war ihr etwas schuldig, und das System sollte blechen. Als sie deshalb auf dem Anrufbeantworter Donald Charms Bitte um ihren sofortigen Rückruf abhörte, schlug ihr Herz höher.
409.
»Wenn sich die eine Tür schließt, öffnet sich eine andere – oder so was in der Art«, dachte Imogene. Sie konnte bloß hoffen, dass es sich nicht womöglich doch um ein Hochhausfenster handelte.
410.
»Entschuldigen Sie den Swisstüll«, sagte Donald Charm, während er ihr einen Platz auf dem Sofa freiräumte. Das Büro war gerammelt voll mit Damenbekleidung und Kunstgegenständen mit dem Leitmotiv Bulldogge. »Ein Leckerli?« Donald Charm hielt ihr eine große Keksdose in Hundeform hin.
Imogene lehnte dankend ab.
411.
Sie war ja nicht verrückt.
412.
Aber natürlich war sie frohen Mutes – wie auch nicht? Laut Donald Charm war das tief dekolletierte Coquette in Malve bei Saks schließlich ein echter Renner.
413.
»Geschafft!«, dachte Imogene.
414.
»Ich bin am Ziel«, dachte Imogene.
415.
»Nichtsdestotrotz«, sagte Mr. Charm, während er eine Stecknadel in eine kleine Nadelkissendogge spießte, »bin ich nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass Saks Fifth Avenue und Featherware nicht zueinanderpassen.« Er räusperte sich. »Bis auf weiteres zumindest.«
416.
Ohne jegliche Überlegung schnappte sich Imogene den Vertrag und verbesserte ihn dahingehend, dass sie ihn in Konfetti verwandelte.
417.
Und als es nicht mehr schlimmer kommen konnte, vergingen sieben Jahre. Mit dem Alter wurde Imogenes Haar röter. Wallys Herz war noch immer das eines Teenagers. Seine Bauchspeicheldrüse wahrscheinlich auch.
418.
Sie trafen sich auf dem Eiffelturm wieder. Komischer Zufall, was? Dass sie im selben Ballungsraum lebten, sich aber ausgerechnet dort über den Weg laufen mussten? Nach all den Jahren?
419.
Imogene war zu Modeaufnahmen in der Stadt, und Wally wollte den Drillingen La Ville Lumière zeigen, was, wie er ihnen unverdrossen erklärte, Stadt der Lichter bedeutet und nicht Stadt der Liebe. Wallys Frau, Viva Leland, war Zahnärztin und Vollzeitmutter.
Für einen Außenstehenden hatte es den Anschein, als freuten sich Wally und Imogene, dass sie einander begegnet waren, aber natürlich kann der Schein trügen.
420.
»Zauberst du immer noch Soufflés?«, fragte Wally.
»Eclairs«, antwortete Imogene. »Und – oui.«
421.
FINIS
422.
Dies ist nicht das erste Mal, dass unser Buch mit quietschenden Bremsen zum Stehen gekommen ist. Eingeweihte Kreise vermuten, dass es nicht das letzte Mal war. So ist eben das Leben. Alles endet – normalerweise nicht schnell genug und häufig in einem Straf- und Zivilprozess. Aber dies hier ist nicht das Leben, genauso wenig wie das da das Leben war. Außerdem weiß doch jeder, dass nichts ein Ende hat, bloß eine sich unaufhörlich bewegende Mitte.
Während Sie versuchen, dieses unlösbare Paradoxon aufzudröseln (Sie wissen schon, das endlose Ende), wollen wir zu unserer sich unaufhörlich bewegenden Mitte zurückkehren. Genauer gesagt, zu den Vorgängen in Kapitelchen 391.
423.
Wann waren wir stehengeblieben?
424.
5.03 Uhr.
425.
5.03 Uhr?
Entschuldigen Sie mich.
Meine Plätzchen verbrennen!
426.
Wallace Gilfeather-Yez Jr. wurde nach einem erbitterten Neununddreißigstundenkampf auf die Welt gezerrt. Als Imogene das Neugeborene in den Armen hielt, sah sie ihm in die Augen und sagte: »Ob ich dir wohl jemals vergeben kann?«
427.
Während der Besuchszeiten prüfte Imogene die Haken-und-Ösen-Muster und Pantaloon-Prototypen aus ihrer Krankenhaustasche und übertrug ihrer Assistentin verschiedene buchhalterische Aufgaben, die für sonst niemanden von Interesse sind. Als sie sich von Harriet verabschiedete, dankte sie ihr für die Baby-Trageschale, obwohl sie lieber eine Vespa in Excalibur-Grau gehabt hätte. Das Baby schlief wie ein Baby.
428.
Wally Jr. konnte noch etwas wie ein Baby: schreien. Imogene spielte mit dem Gedanken, die Feuerwehr zu rufen. Ihr Mutterschaftsurlaub dauerte keine fünf Minuten. Wally (Senior) – typisch – nahm sich gern zwei Wochen frei, bis Rosie von der Kindermädchenagentur anfangen konnte.
429.
Die Zeit – typisch – verging, und Wallace Gilfeather-Yez Jr. wurde drei. »Was ist dein Lieblingstier?«, fragte sein Vater. »Ist ein Zwerg
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