Zurueck Aus Afrika
mir etwas verloren vor. Als ich aufgerufen werde, betrete ich gespannt den Raum, in dem bereits vier Personen warten. Ich setze mich auf die Bank vor den Richter. Erst werden die Personalien geklärt und dann muss ich mein Leben mit Lketinga in Kurzfassung erzählen.
Da mir schnell klar ist, dass sich der Richter unter dem Stamm meines Mannes nichts vorstellen kann, frage ich am Ende meiner Erzählungen, ob ich ihm zum besseren Verständnis ein paar Fotos vorlegen solle. Nach kurzem Zögern willigt er ein. Ich lege ihm sechs Bilder auf das Pult. Eines zeigt meinen Mann in Kriegsbemalung mit Speer, ein anderes eine Ochsenschlachtung vor der Manyatta und ein drittes uns beide mit unserer Tochter Napirai. Er räuspert sich und fragt ungläubig: »Dies ist also Ihr Mann?« Die anderen Damen und Herren stehen auf und kommen zum Tisch, um sich ebenfalls die Fotos anzuschauen. Es entsteht eine kurze Diskussion zwischen ihnen und dann fragt mich der Richter, ob er die Fotos bis zur endgültigen Entscheidung zu den Akten nehmen dürfe. Ich bin einverstanden und werde bis zur nächsten Vorladung entlassen. Als ich das Gebäude verlasse, fühle ich mich schon etwas befreiter.
Zwei Wochen später, also Mitte Dezember, erhalte ich die nächste Vorladung. Jetzt wird es ernst. Dieselben Personen erwarten mich. Erneut werde ich gefragt, ob ich nichts von meinem Ehemann gehört habe und nach wie vor seinen genauen Aufenthaltsort nicht kenne. Ich antworte unter Eid, dass ich bis zum heutigen Tag keine zusätzlichen Angaben machen kann. Dann werde ich gefragt, ob ich auf Unterhaltszahlungen klagen möchte, was ich verneine. Zum Schluss verliest der Richter, dass unter den gegebenen Umständen die Ehe der Parteien zu scheiden sei mit folgenden Nebenregelungen: Die aus dieser Ehe hervorgegangene Tochter Napirai wird unter die elterliche Gewalt – was für ein hässliches Wort! – der Mutter gestellt. Es wird vermerkt, dass die Mutter auf Unterhaltsbeiträge verzichtet. Es wird ebenfalls festgehalten, dass die scheidenden Parteien keine Ansprüche aneinander stellen. Es folgen die Kostenfestsetzung des Prozesses sowie die Anweisung, dass das Urteil für Lketinga im hiesigen Amtsblatt veröffentlicht werden muss. Wie absurd!
Zuletzt höre ich nur noch, falls in den nächsten zehn Tagen von den Parteien kein Einspruch erfolge, sei das Urteil rechtsgültig. Mir schwirrt der Kopf und ich stehe etwas hilflos da, als die vier ihre Unterlagen zusammenräumen. Unsicher frage ich: »Ja, bin ich nun geschieden? Ist jetzt wirklich alles vorbei? Kann ich gehen oder muss ich irgendwo etwas abholen oder bezahlen?« Der Bezirksrichter nickt kurz und ist verschwunden. Langsam gehe ich aus dem Raum und kann kaum glauben, dass alles so einfach über die Bühne gegangen ist. Allmählich wird mir klar, dass dies der Tatsache zu verdanken ist, dass Lketinga sozusagen verschollen ist. Erst draußen in der Dezemberkälte überkommt mich eine große Freude, dass mir Napirai niemand mehr wegnehmen kann, solange ich nicht nach Kenia reise. Sofort fahre ich zu meiner Mutter, die sich mit mir freut und uns zum Abendessen einlädt.
Erinnerungen holen mich ein
Kurz vor Weihnachten erhalte ich meine Lohnabrechnung für Dezember. Inklusive Weihnachtsgeld ist es eine sehr erfreuliche Summe. Jetzt könnte ich mir mit Napirai wirklich einmal wunderschöne Ferien leisten, überlege ich kurz und mache mich gleich auf den Weg in ein Reisebüro. Ich möchte in ein Land fliegen, in dem es jetzt sonnig und warm ist und in dem keine Malaria-Gefahr besteht. Nach einigen Beratungen entscheide ich mich für einen Flug in die Dominikanische Republik. Ich freue mich darauf, zwei Wochen verwöhnt zu werden und das Zusammensein mit meiner Tochter in vollen Zügen zu genießen, mit ihr zu essen, wonach uns gerade ist, und so lange wie möglich im Meer zu plantschen. Wie Napirai wohl reagieren wird, wenn sie wieder von vielen schwarzen Menschen umgeben ist? Ob sie sich dann an ihren Papa erinnert?
Noch vor unserer Abreise bekomme ich einen Brief aus Barsaloi. James entschuldigt sich, dass er so lange nicht geschrieben hat, aber sie hätten schwere Zeiten gehabt. Erst wären bei den fürchterlichen Kämpfen gegen die Rebellen, die ihnen fast alle Tiere gestohlen haben, viele Menschen umgekommen. Und jetzt hätte es endlich geregnet, aber Barsaloi sei nun voll von Moskitos. Malaria zu bekommen, sei nur eine Frage der Zeit. Er habe eine Anstellung in der neuen Schule in Barsaloi
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