Zurueck Aus Afrika
kleines Hotel – eventuell in Partnerschaft mit anderen – zu erwerben. In meiner Fantasie hat es bereits den Namen »Zur weißen Massai« und ist in afrikanischem Stil eingerichtet. Auf der Suche nach einem geeigneten Objekt fahre ich quer durch die Schweiz bis ins Tessin und spüre sofort, dass ich mich in dieser Umgebung sehr wohl fühlen könnte.
Kurz darauf bleibt mein Blick an einem Zeitungsinserat hängen: »Vierwöchiger Italienisch-Intensivkurs im Tessin, Beginn in einer Woche.« Da zu dieser Zeit Napirai gerade Schulferien hat, melde ich uns beide spontan an. Jetzt heißt es eine geeignete Ferienwohnung zu finden, was im Februar kein Problem ist. Ich stelle es mir ziemlich lässig vor, dass Mutter und Tochter zusammen die Schulbank drücken. Na ja, für Napirai ist es dann doch nicht immer so toll. Nachmittags unternehmen wir verschiedene Ausflüge und Besichtigungen. Für die Jahreszeit ist das Klima im Tessin erstaunlich mild, fast frühlingshaft. Nach einer Woche bin ich schon so begeistert von der kleinen Stadt Lugano, dem See, den nahen Bergen, ja vom ganzen Panorama, das ein wenig an Rio de Janeiro erinnert, dass ich den Gedanken nicht mehr los werde, hier könnte meine, unsere nahe Zukunft liegen.
Auch Napirai gefällt es gut, obwohl ihr die Trennung von ihren Klassenkameradinnen schwer fallen würde. Auf der anderen Seite reizt auch sie das Kleinstadtleben, das einem Mädchen in der beginnenden Pubertät mehr Möglichkeiten bietet als unser jetziges Dorfleben. Wir besprechen das Für und Wider und ich bin überzeugt, dass Napirai mit ihren dreizehn Jahren einen Umzug gut bewältigen wird. Sie ist ein Mädchen, das mit ihrer eher ruhigen, manchmal fast leisen Art doch erstaunlich schnell Anschluss findet, was ich in unseren Urlauben immer wieder beobachten konnte. Selbst die Sprachhindernisse ging sie mit Händen und Füßen an. Allerdings ist sie auch sehr sensibel. Auf traurige Ereignisse reagiert sie extrem. Wenn wir durch die Straßen schlendern, bleibt sie bei jedem Bettler oder Musiker stehen und legt ihm ein Geldstück in die Mütze. Wenn sie das Geld nicht von mir bekommt, spendet sie es von ihrem Taschengeld. Selbst Restaurantbesitzer, die keine Gäste haben, möchte sie unterstützen, indem sie sagt: »Mama, schau, da ist kein Mensch drin, willst du nicht einen Kaffee trinken? Ich habe sowieso großen Durst.« Schon als kleines Mädchen hat sie den noch kleineren Kindern geholfen, wenn sie hingefallen waren, egal ob sie sie kannte oder nicht. Schlimm ist es, wenn sie Tiere leiden sieht. Solche Ereignisse vergisst sie manchmal jahrelang nicht.
Mit ihrer Größe von 1,79 m wirkt sie optisch älter, als sie ist, und wird deshalb manchmal überfordert. Ich hoffe, ihr mit einem Wohnortwechsel nicht zu viel zuzumuten, und glaube fest daran, dass sie schnell wieder Anschluss finden wird. Obwohl Napirai sich gut mit sich selbst beschäftigen kann, ist sie sehr kommunikativ und braucht Menschen, die sie mag, um sich. Sie ist kreativ, malt, schreibt Briefe und hört dabei stundenlang Musik. Ihr Musikgehör ist sehr sicher und ihre Stimme wunderschön. Sportliche Betätigung dagegen ist nicht unbedingt ihre Sache. Die einzige Bewegung, die sie liebt, ist das Tanzen, dafür hat sie eine Menge Energie. Ja, ich bin stolz auf mein anschmiegsames, feinfühliges und aufgeschlossenes Mädchen.
Wir werden die Veränderung schon meistern und auch glücklich sein, denn ich spüre es tief im Herzen, dass unsere Zeit am jetzigen Wohnort abgelaufen ist. Als größte Hürde kommt die italienische Sprache auf uns zu, vor allem für Napirai in der Schule. Aber andere Familien mit drei oder vier Kindern schaffen einen Umzug ins Ausland auch. Warum sollen wir es nicht wagen? Zumal Napirai ein ausgeprägtes Gedächtnis hat und sehr sprachbegabt ist. Später wird sie noch eine Sprache mehr beherrschen und darüber froh sein.
Zuerst ist Markus von meinen Plänen gar nicht begeistert, da er befürchtet, im Tessin keinen Job zu finden, und äußert sich dementsprechend ablehnend. Nach den ersten zwei Wochen Italienischkurs bringe ich Napirai wieder nach Hause, fahre zurück ins Tessin und beende die Schule. Die ersten italienischen Sätze bleiben haften und mir fällt es plötzlich unendlich schwer, Abschied zu nehmen. Zu Hause finde ich keine Ruhe mehr und so steht für mich definitiv fest: Ich muss umziehen, denn auf mich wartet dort in der Südschweiz irgendeine Aufgabe.
Markus ist hinreißend. In der
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