Zurück im etwas anderen Tunesien
klettern?
Ich erinnere mich an die Fahrt mit unserem Auto zum Friedhof beim letzten Urlaub, einmal senkrecht den Berg hinauf! Dieser Berg sieht genau so aus und ich habe weder Bergsteigerschuhe noch Absicherungsseile dabei. Diese 5 Meter haben es wirklich in sich und ich hechele den flinken Flitzern, bei molligen 30 Grad im Schatten, hinterher. Oben angekommen könnte ich schon wieder zwei Wäscheklammern zum Aufhängen gebrauchen und ich verstehe nicht, wie Leila nicht zerfließt, die über ihrer Kleidung noch ein dunkles Cape über Kopf und Körper gewickelt hat. Zeit zum Nachdenken habe ich nicht, denn wir sind immer noch nicht bei Noura angekommen und müssen noch weiter 5 Meter in die nächste Straße hineingehen. Gott sei Dank ist die Straße dort zu Ende und es gibt nur noch einen steilen Abhang, den sie hoffentlich jetzt nicht hinunter krabbeln wollen. Ich ringe nach Luft und kann kaum ein Wort sprechen.
„Oh …“ , Luft holen. „… wie …“ , Luft holen, „… schön …“ , Luft holen „… ist …“ , Luft holen, „das denn!“
Der Blick von hier oben über das ganze Dorf ist einfach nur traumhaft und ich kann kilometerweit ins Landesinnere schauen. Na da haben sich diese 5 Meter ja wenigstens gelohnt.
„Tatta, Tatta!“ Die Kinder von Noura haben mich entdeckt und rufen mir immer wieder Tatta zu, was ungefähr so etwas wie Tante bedeutet, beziehungsweise was auch jüngere Kinder zu ihren älteren Schwestern sagen. Jetzt muss diese Tatta erst einmal eine Hausführung machen und die Kleinen zeigen mir jeden Winkel. Ich bin erstaunt, denn das Haus ist neu gebaut und sehr modern eingerichtet. Die Kinder haben ja schon so oft gesagt, dass ich jetzt für immer bei ihnen wohnen soll und wenn ich mich so umschaue, könnte ich mir das auch gut vorstellen. Ok, ein wenig Kitsch darfnatürlich nicht fehlen und sie zeigen mir stolz die zwei hypermodernen Küchenlampen. Ich muss innerlich schmunzeln. Eine Himbeere und eine Melone an der Decke, was generell noch nicht ganz so schlimm ist. Aber die Himbeere leuchtet auch noch rot und die Melone grün und ich sag jetzt besser nicht, wie das angeschaltet aussieht.
Die Kinderzimmer zeigen sie mir nur kurz, denn die finden sie selber nicht so interessant. Ihr Spielplatz steht nämlich im Wohnzimmer. Ein Laptop und ein Computer! Die Zwei sind vier und sechs Jahre alt, können weder lesen noch schreiben und nur ein paar Wörter, die sie bei ihrer Mutter aufgeschnappt haben, auf Englisch nachplappern. Schnappen sich aber direkt den Laptop, hämmern darauf herum, schreiben das Wort „Power Rangers“ und zeigen mir stolz, wie sie nun dieses Spiel spielen. So schnell kann ich gar nicht gucken, wie die die richtigen Tasten und Buttons drücken. Irre, einfach nur irre! Sie erzählen mir nun eine Geschichte nach der anderen, die ich natürlich nicht verstehe, aber das macht den beiden nichts aus. Es reicht ihnen, dass ich zuhöre und staune. Ich staune auch, wie sie mit dem Laptop umgehen und dass dieser dabei noch lebt. Meinen Laptop trage ich ganz, ganz vorsichtig von A nach B, und habe immer Angst, dass ihm bei der kleinsten Erschütterung etwas passiert. Dieser tunesische Laptop scheint selbst ein Erdbeben zu überstehen und man kann vermutlich auch noch mit einer Dampfwalze darüber fahren.
Bitte, bitte sagt den Kindern nicht, dass ich auch einen Laptop dabei habe!
Noura zeigt mir nun all ihre Schätze aus den Schränken und es wird wirklich fast jede Tasse und jedes Tellerchen einmal hervor geholt. Sie stößt dann auf die vielen Fotoalben und Fotokisten, die ich mir natürlich jetzt ALLE mit ihnen anschauen darf. Dreißig Jahre Familiengeschichte im Zeitraffer und auf jedem Bild wird erklärt, wer, wer ist! Kinderfotos, Urlaubsfotos und unendlich viele Hochzeitsfotos der gesamten Verwandtschaft. Es ist sehr interessant und ich hätte noch stundenlang weiter schauen können, aber ein Telefonanruf reißt uns aus der Zeitreise. Ich möchte dochbitte wieder nach Hause kommen, ich habe noch einen Termin und die Familie würde schon auf mich warten!
Was habe ich denn jetzt schon wieder für einen Termin? Haben sie einen neuen Gewürzhändler gefunden, oder wo soll ich nun hin? Es gibt wieder ein Hochzeitstrommeln und da soll ich doch bitte mit der Familie hingehen.
Schon wieder? Und warum braucht man dafür einen Termin?
Da läuft doch nur eine Truppe wieder durch die Straßen und trommelt, oder? Scheinbar scheint mehr dahinter zu stecken, so verabschieden
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