Zurück im etwas anderen Tunesien
heute ein Kopftuch, da nicht nur Frauen eingeladen sind. Na ja, die Männer sind draußen und außer dem Kameramann und dem Fotografen ist nur der Bräutigam anwesend, welcher mir übrigens schon total leid tut, weil er nun so ganz allein in dem yallernden Hühnerhaufen sitzt. Warten wir mal ab, was heute Spannendes passiert!
Gestern waren wir nur fünf Minuten auf der Hochzeit und da habe ich nicht wirklich mitbekommen, wie denn dieser Hochzeitstag so abläuft. Die Spannung steigt, aber außer Sitzen, Schwitzen und Beglückwünschen passiert auch heute nichts Weltbewegendes.
So ab und an falle ich vor Müdigkeit in einen leichten Sekundenschlaf, werde aber immer wieder von der lauten Musik, die locker drei Hochzeiten gleichzeitig hätte beschallen können, zurück ins Hier und Jetzt geholt.
Um mich herum bemerke ich genau die ganzen Blicke, die mich von oben bis unten mustern. Obwohl ich tunesische Kleidung trage, falle ich auf wie ein bunter Hund und fühle mich schon sehr von ihnen beobachtet. Hoffentlich passiert hier bald mal etwas, damit ich nicht mehr so im Blickfeld der neugierigen Damen stehe.
Achtung! Zicke von rechts trifft auf Zicke von links. Ui, jetzt kommt bestimmt Leben in die Bude! Meine Verwandten halten einen kurzen Moment den Atem an, aber die beiden Zicken scheinen sich schon wieder vertragen zu haben. Küsschen rechts, Küsschen links und alles ist wieder gut. Muss man das jetzt verstehen? Ich hätte zu gerne die Verlängerung des Zickenzoffs erlebt, aber so bleibt mir nichts Anderes übrig, als weiter zu sitzen, zu schwitzen und mit der Braut synchron zu fächeln.
Irgendwann kommt doch noch etwas Bewegung ins Spiel und Braut und Bräutigam erheben sich von ihrem Ken und Barbie-Thron. Sie quetschen sich zwischen die anderen tanzenden Damenauf die kleine Tanzfläche und tanzen nun mit ihren Gästen zum Klang der immer lauter werdenden Musik.
Zeit für uns zu gehen. Wir haben für heute genug gefeiert und verabschieden uns am Ausgang wieder mit einer kleinen Geldgeschenkspende.
Ich schaue mich noch ein letztes Mal um und sehe nun auch die beiden Zicken auf der Tanzfläche. Na das sind mir ja zwei Superzicken, nachmittags gehen sie noch wie zwei Kampfhähne aufeinander los und abends tanzen sie friedlich im Kreis herum, widebumm!
5 x 5 x 5 x 5 tunesische Meter
Am Morgen werde ich beim Frühstück mit einer großen Portion bunt dekorierter Assida begrüßt. Es ist eine Hochzeits-Assida, die mir vom Lieferservice der gestrigen Braut zugestellt worden war. Eine meiner Tanten hatte vor ein paar Tagen mitbekommen, dass ich das Rezept für so eine Assida suche, und netterweise hatte sie heute Morgen direkt an mich gedacht, und mir eine große Portion bringen lassen. So langsam habe ich hier ein Hochzeitsverfolgungstrauma und ich bin richtig froh, dass ich heute ansonsten einmal hochzeitsfrei habe. Es steht nichts weiter an, nur ein Besuch bei Cousine Noura am Nachmittag! Aber da nur ja relativ ist, kommt es wieder anders, als ich denke.
Die Tochter des Hauses ist nicht daheim und ich sehe meine Chance, endlich etwas im Internet surfen zu können. Einen Internetstick habe ich ja bekannter Weise nicht und ich muss immer warten, bis die facebooksüchtige Tochter einmal das Internetkabel für mich freigibt. So mache ich es mir vor dem Computer gemütlich, logge mich gerade auf meinem Facebook-Account ein, als die Ansage kommt, dass ich einen Termin habe.
Ich habe einen Termin? Wo und bei wem?
„Na beim Gewürzhändler!“
Ach, vergibt der Termine wie beim Arzt? Ist ja interessant!
Da mein Mann keine Zeit hat, soll mich Tante Rafika, die kleine Eya und eine meiner Dolmetscher-Cousinen begleiten.
Hm, muss ich mich dafür denn groß umziehen?
„Ach Quatsch, das sind nur 5 Meter, kannst deine Badelatschen und die Bummelklamotten ruhig anlassen!“
Mein Mann wird es schon wissen. Ja, ja, 5 Meter! 5 Meter bis zur Straße und dann noch den ganzen Berg hinauf! Abgehechelt erreiche ich den Gewürzladen und schnappe erstmal tief nach Luft, als ich mich darin umsehe.
Ach du Schreck, was ist das denn für ein Rumpelladen? Hier gibt es Alles und Nichts und Gewürze in Hülle und Fülle. Säckeweise stehen Körner und Pulver herum und stauben in den dunklen Ecken vor sich hin. Den Termin haben wir, weil wir dem Geheimnis Tabil auf den Grund gehen wollen. Immer wieder entstehen Diskussionen, was es denn nun genau ist und woraus es besteht. Also normalerweise ist Tabil das arabische Wort für Koriander
Weitere Kostenlose Bücher