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Zurueck in der Hoelle

Titel: Zurueck in der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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müde gewesen. Doch er wäre niemals der Geheime Minister von Preußen geworden, hätte er jemals irgendjemandem vertraut. Deshalb hob er nur fragend die Braue und erlebte zum ersten Mal, dass dieser arrogante echsengesichtige Kerl sich für etwas schämte.
    »Sagen wir«, grämte sich der Schwarze Baron, »sagen wir vielleicht, dass ich etwas Pech gehabt habe. Aber ich will Euch nicht mit den Dingen langweilen, die jenseits des Quecksilbermeeres geschehen sind. Auf jeden Fall ging die gesamte französische Flotte verloren und dafür verlangt der König von Frankreich jetzt meinen Kopf.«
    »Aha. Ich verstehe«, nickte Eulenfels und konnte sich die Schadenfreude nicht verkneifen. »Die Piraten haben Euch besiegt. Sie haben Euch den Hosenboden versohlt. Und jetzt braucht Ihr einen Ort, um Eure Wunden zu lecken.«
    »Ja, so kann man es sagen!«, zischte Talleyrand bitter.
    Er hielt seinen Jähzorn nur mühsam im Zaum und Eulenfels genoss seine Überlegenheit.
    »Aha«, grinste er. »Und jetzt bittet Ihr mich, dass ich mich trotz Eures kläglichen Scheiterns gegen den mächtigsten König stelle, den es in Europa gibt? Warum sollte ich Euch nicht einfach verhaften und als Geschenk nach Frankreich schicken?«
    »Weil …« Talleyrands Augen glühten vor Hass. »… Weil ich Euch, wie schon erwähnt, mächtiger machen kann als ihn.«
    »Mächtiger als den König von Frankreich?«, amüsierte sich Eulenfels.
    »Ja«, versprach der Schwarze Baron und dann erzählte er Eulenfels die ganze Geschichte über den Ring der Witwe Chen. Die ganze Geschichte und auch den Teil, den dunklen und bösen Teil, den selbst Hannah noch nicht kannte.
    Seitdem träumte Eulenfels von der Macht und in den letzten drei Tagen vor Hannahs Hinrichtung verlor er deswegen fast den Verstand.
    »Ich werde der mächtigste Mann der Welt!«, sang er und tanzte dabei durchs Schloss. »Ich werde noch mächtiger als der König von Frankreich. Ich werde der Sonnenminister von Preußen, nein, ich werde Preußen sein!«
    Ophelia und Salome konnten das nicht mit anhören. Das tat körperlich weh, wenn Eulenfels sang, doch seit der Ankunft von Hannah und dem kleinen biestigen Streich, den sie ihr gespielt hatten, kam ihnen die Besessenheit ihres Gönners gar nicht so ungelegen. So fanden sie Zeit für ihre kleine Sucht, die süße Schwärmerei, die sie beide für immer und ewig verband, und sie nutzten jeden unbeobachteten Augenblick, um dem Geheimen Minister und seinem Schatten Talleyrand zu entkommen.
    Dann verkrochen sie sich an einen sicheren Ort, in das Loch einer Hecke oder unter einen Treppenabsatz, holten den Ring aus dem kleinen Spitzenbeutel und sahen ihn an, als wäre es Will. Sie kicherten albern und stellten sich vor, wie es wohl sein würde, wenn Will zu ihnen käme. Oh ja, wenn er zu ihnen kommen und sie darum bitten würde, ihm seinen Ring zu geben, und wie es dann wäre, wenn sie ihm diese Bitte gewährten …
    … Wenn sie sie ihm gewährten für … Oh, oh, oh ja, und da fing ihre Schwärmerei an, ihr süßes Vergnügen, von dem sie nicht genug kriegen konnten und das ihnen die Tage vor Hannahs Hinrichtung in ein grausames Wechselbad aus Wonne und Eifersucht verwandelte. Denn Will würde ganz gewiss nur zu ihnen kommen, wenn Hannah tot war, und Hannah würde erst am Sonntag sterben.
    Ja, Sonntag, am Sonntag war alles vorbei.
    Hannah hatte schon Blasen an ihren Füßen. Blasen davon, dass sie im Kreis herum lief und ihre Stimme klang inzwischen wie ein rostiges Scharnier, wenn sie ihre ohnmächtige Wut hoch zum Fensterspalt unter der Turmdecke schrie.
    »Ich bin Honky Tonk Hannah und ich habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, der mich vor Eurem Galgen beschützt!«
    Doch das Einzige, was daraufhin passierte, war, dass ihr eine fünfte Warze aus der Pobacke platzte, und die Soldaten lachten sie aus. Hannah trat wütend gegen die eiserne Tür. Doch sie hörten nicht auf. Sie lachten nur weiter und ihr fiel nichts ein, was sie tun konnte. Wie sollte das auch? Ohne Bad, ein Paar Schuhe, oder den richtigen Hut? Nein, so kam sie niemals aus diesem verschimmelten Turm und weil das so war, gab sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag zum zweiten Mal auf.
    Es war gegen elf. Hannah lag leblos im stinkenden Stroh zwischen all den Kakerlaken und Ratten und spielte an einer Warze, die aus ihrer Handfläche wuchs.
    Verfuchst, ist die hässlich, dachte sie. Doch das war ihr egal. Es war ihr einfach alles egal. Morgen würde sie sterben und davor hatte sie

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