Zurueck in der Hoelle
»Drachengleiter« um.
Hannah strahlte Will glücklich an und in ihrem Glück, war sie sogar bereit, ihm die Springwarzenlügenpest zu verzeihen. Was störten sie schon die fünf »kleinen« Warzen, egal ob sie haarig waren oder nicht. Die zwei auf der Schulter versteckte das Hemd, die auf der Handfläche wurde vom Handschuh verborgen und die beiden, die ihr heute Morgen, als sie sich wusch, ans Ohrläppchen gesprungen waren, fielen neben dem silbernen Ohrring fast gar nicht mehr auf.
»Ja-mahn!«, rief Hannah. »Auf dass die Welt heute andersrum ist!« Sie winkte den Armen und Bettlern zu. »Auf dass die zum Tode Verurteilten leben und die Schwachen die Starken sind!«
»Die Schwachen, die Starken!«, riefen die Menschen und Talleyrand, Eulenfels und die beiden Damen an seiner Seite staunten nicht schlecht.
Sie saßen inmitten des Hofstaats auf ihren thronartigen Stühlen und sahen von der Tribüne aus, wie Hannah unter dem Jubel der Massen zuerst auf den Mittelmarkt fuhr und dann das turmhohe Galgenpodest zwischen den Markt- und Gauklerbuden wie eine Theaterbühne bestieg. Dort sang sie weiter.
»Was schert es den Teufel, wenn man ihn in die Hölle schickt?
Was schert es den Teufel oder Honky Tonk Hannah?
Denn Honky Tonk Hannah ist in der Hölle zu Haus.«
Eulenfels schnappte vor Wut nach Luft. »Was hat das zu bedeuten?«, wandte er sich an den Schwarzen Baron.
»Woher hat sie die Kleider?«, fragte Salome böse.
»Und wieso sieht die so aus?«, wollte Ophelia wissen. »Wenn sie doch aus dem Kerker kommt!«
»So schön und gefährlich!«, beschwerte sich Salome. »Theodor Wotan, die war doch so hässlich! Was habt Ihr mit ihr gemacht?«
»Theodor Wotan, wenn man sich so in Euren Kerkern verwandelt, dann lassen wir uns auf der Stelle …«
»Schweigt!«, befahl Eulenfels. »Haltet den Mund.«
Der Minister sprang auf, zog die mit Elfenbein beschlagenen Pistolen aus seinem goldenen Gürtel und schoss donnernd in die Luft.
Danach war es still. Selbst Hannah verstummte und Eulenfels reichte ein Flüstern, um den Befehl für die Hinrichtung zu erteilen.
»Henker, tut Eure Pflicht.«
Der war ein Hüne von Mann und mit der Kapuze auf seinem Kopf sah er noch größer und unheimlicher aus. Er war ein Albtraum von einem Scharfrichter und jeder normale Gefangene hätte sich allein bei seinem Anblick schon in die Hosen gemacht. Doch Hannah war sicher, dass sie nichts zu befürchten hatte. Sie sah Will zwischen den Menschen vor dem Podest. Sie sah die Pistole und sie wusste, dass er mit ihr das Seil in dem Moment durchschießen würde, in dem sich die Luke unter ihren Füßen auftat, in dem sie durch sie hindurchfiel, zu Moses und Jo, die dort bereits auf sie warteten, und über den Dächern kreuzten die Twins. Sie lauerten dort auf ihren Drachengleitern, um ihren Verfolgern nach ihrer Flucht sofort in den Rücken zu fallen.
Der Plan war perfekt und als der Trommelwirbel anschwoll, schloss Hannah die Augen. Sie spürte, wie sich die Haare auf ihrem Rücken aufstellten und sie genoss den süßen, heißkalten Schauder, der sie vor jedem Abenteuer befiel. Verfuchst, so hatte sie sich nicht mehr gefühlt, seitdem sie im Bermudadreieck auf den Kraken gewartet hatte. Den Kraken und den Goldenen Diskus.
Dann verstummte der Trommelwirbel. Talleyrand hüstelte und Eulenfels sah sich schon im Besitz des Rings. Hannah sah sich schon stürzen, und Will legte bereits die Pistole an, als eine affektierte Stimme die Stille zerstörte.
»Halt! Halt! Bitte haltet ein! Im Namen Frankreichs und seines Königs!«, rief der in eine goldene Livree gekleidete Diener, der über den Mittelmarkt lief. »Das da ist keine Piratin. Das da ist die Prinzessin von Frankreich. Ihr dürft sie nicht töten und wenn Ihr das tut, legen unser König und ihr Bräutigam eure Stadt in Asche. Denn sie sind schon da und lagern mit 22 000 Soldaten nur drei Tage entfernt vor der Stadt.«
Eulenfels lief puterrot an. »Schafft mir den Hanswurst da unten aus den Augen!«, zischte er wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand.
Doch als er bemerkte, dass sich Talleyrand setzen musste, dass Honky Tonk Hannah zu taumeln begann, dass sie kreidebleich wurde und drohte, sich im Fallen selbst zu erhängen, flehte er leise: »Nein, bitte sagt mir, dass das nicht die Wahrheit ist!«
Und Will flehte Hannah an:
»Sag, dass er lügt! Los, sag es schon, Hannah! Sag, dass nicht alles, was du uns erzählt hast, von dir erfunden war. Erfunden, erlogen und dass du
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