Zurueck in der Hoelle
nicht zu denen gehörst. Zu diesen gepuderten Affen!«
Er flehte sie an und Jo und Moses taten dasselbe.
»Sag es schon. Bitte!«, flehten sie unter der Luke in ihrem Versteck.
Doch Hannah war übel. Sie bekam keine Luft. Ihr fehlten die Worte und sie fühlte sich, als würde sie ganz langsam in Watte erstickt. In goldener Watte.
»Sag, dass es nicht wahr ist!«, hörte sie Will und dann schüttelte sie langsam den Kopf.
»Doch«, sagte sie leise, »doch, es ist wahr.«
Aber ich kann es erklären. Das wollte sie sagen, doch sie fiel schon in Ohnmacht. Sie fiel in die Schlinge, die um ihren Hals lag, und Will wandte sich einfach nur von ihr ab.
Er drehte sich weg und während er die Fingernägel in seine Handballen bohrte, so lange, bis es schmerzte, drängte er sich durch die Menschenmassen hindurch und rannte wütend vom Platz.
TEIL ZWEI
Die roten Korsaren
Toter als tot
ill sah, wie sie fiel. Er sah es wieder und wieder, sobald er die Augen schloss. Dabei hatte sich die Luke unter ihren Füßen gar nicht geöffnet. Der Henker hatte überhaupt noch nichts getan. Es lag alles nur an der Nachricht dieses französischen Boten. Sie fiel einfach um, kippte zur Seite in die Schlinge hinein und die zog sich zu.
Will konnte das sehen.
Er fühlte es sogar am eigenen Leib. Er fühlte, wie es sich anfühlte, wenn es einem die Kehle zuschnürt. Wenn der Knoten des Strickes gegen den Nackenwirbel schlägt, um ihn zu brechen, und wenn man sich dabei, ohne es zu wollen, in die Hosen pisst.
Will sah es tausendmal hintereinander und jedes Mal rief er hasserfüllt: »Ja!«
Er rief es ohnmächtig, wütend, triumphierend, verzweifelt.
»Ja, das hat sie verdient! Das und noch mehr! Es ist alles erstunken und erlogen, es ist alles nur Fake! Sie war niemals eine Piratin!«
Er lief durch die Stadt, zerriss seine Kleider, raufte sich die Haare, trat gegen Fässer, schlug gegen Mauern und stieß andere Menschen einfach grob aus dem Weg.
»Es ist alles Fake. Es ist alles erfunden!«
Er schrie und heulte und es war ihm egal, dass die anderen es sahen. Moses und Jo, Tule und Teh, Tabea, Tujana, Tanja, Theres, sie alle liefen hinter ihm her, weil es ihnen nicht besser ging. Weil sie jemanden brauchten, der ihnen half und der sie jetzt führte.
Doch Will war dazu nicht in der Lage. Er irrte umher. Er suchte nach etwas, doch er wusste nicht, was, und schließlich fand er ganz intuitiv die Stelle am Ufer der Spree. Die Stelle, die er zu seiner Zeit in Berlin immer aufgesucht hatte, wenn er den Mut verloren hatte. Wenn er in Gefahr war, seinen Traum zu verlieren, den Traum, dass er Pirat werden wollte, und hier hatte er es immer geschafft. Hier hatte er sich immer wieder wiedergefunden. Hier hatte sich das Wasser der Spree dann in seiner Fantasie in den Ozean verwandelt und auf dem war er dann direkt in die Sonne und noch viel weiter, bis hinter den Horizont gesegelt.
Doch an diesem Tag funktionierte das nicht. Die Spree blieb die Spree und als die Sonne irgendwo weit weg von Berlin in den Wäldern versank, murmelte Will: »Es war alles nicht wahr.«
Er schaute zu Moses, zu Jo und den andern. Die hockten hilflos um ihn herum.
»Es war alles nicht wahr. Der Pakt mit dem Teufel. Der Traum von der Freiheit und der Eishorizont. Sie hat alles erfunden. Es war nur ein Spiel. Der Zeitvertreib einer verwöhnten Prinzessin. Ja-mahn, jetzt versteh ich die Hüte, die Kleider, die Schuhe, den letzten verfluchten Schrei aus Paris …«
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und wischte sich wütend die Tränen aus dem Gesicht.
»Wir waren nur Spielzeug, Moses und Jo! Billiges Spielzeug für eine Prinzessin, die sich ein bisschen gelangweilt hat. Die überhaupt keine Ahnung hat, was es bedeutet, wenn man Pirat ist und sein Leben riskiert. Die wusste doch gar nicht, was es heißt, sich zu fürchten. Auf die hat ihr Daddy doch aufgepasst. Ja, jetzt hab ich’s kapiert: Der König von Frankreich ist der Teufel gewesen, mit dem sie den Pakt geschlossen hat, der sie vor allem beschützt. Oder warum ist sein vergoldeter Diener zufällig genau in dem Augenblick aufgetaucht, als sie gehängt werden sollte?«
Er schüttelte den Kopf, weil er es nicht wahrhaben wollte.
»Und dann hat sie auch noch der Henker gerettet. Ist das nicht ein Witz! Ha, Hannah war tot. Ja, toter als tot. Sie hat sich selbst erhängt. Doch dann kam der Henker und hat sie auf Befehl dieses Dieners aus der Schlinge befreit?«
Er lachte vor Wut.
»Aber Moses hat uns
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