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Zurueck in die Nacht

Zurueck in die Nacht

Titel: Zurueck in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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richtiges Fenster, und versuche, hinauszusehen. Doch ich sehe nur
weitere Mauern und einen Fetzen grauen Himmel, sonst nichts und niemand. Kurz
durchschießt mich Panik. Ich bin im Gefängnis und werde hier nie wieder
rauskommen! Ich setze mich wieder auf das Bett und starre auf die Tür, die Hand
auf mein Herz gepresst, um das wilde Schlagen zu dämpfen.
    So findet Jay
mich eine unbestimmte Zeit später. „Clarissa. Gut geschlafen?“
    Ich nicke und
hoffe, dass er sich nicht die Mühe macht, meine Gedanken zu lesen. Ich habe es
immer noch nicht richtig gelernt, sie zuverlässig abzuschirmen, und ich will
nicht, dass er meine Unsicherheit bemerkt. Nicht nach dem Debakel am Strand.
Nicht, wenn ich in Kürze die anderen treffen werde.
    „Bist du
bereit?“ Sein Ton lässt nicht erkennen, ob er mich durchschaut hat.
    Das werde ich
nie sein, denke ich, nicke aber. „Wohin gehen wir?“
    „Es gibt da einige
Leute, die dich gerne kennenlernen wollen.“
    Ich schlucke und
mein Magen zieht sich zu einem nassen, schweren Klumpen zusammen. Es wird also
ernst. Ich folge Jay durch einige kalte, dunkle Gänge und merke allmählich, wie
das Rauschen in meinem Kopf stärker wird und die Form einzelner Stimmen
annimmt. Vieler einzelner Stimmen. Ich werde immer nervöser. Auf was habe ich
mich da nur eingelassen?
    Erst, als Jay
sich umdreht und mich fragend ansieht, merke ich, dass ich immer langsamer
geworden bin. Er wirft einen Blick auf mein Gesicht (und vielleicht auch in
meinen Kopf) und streckt mir wortlos seine Hand entgegen. Dankbar ergreife ich sie
und fühle mich sofort besser. Nicht gut, aber immerhin besser als zuvor. Nur
noch wie auf dem Gang zum Scheiterhaufen, nicht mehr wie mitten im Feuer.
    Wir biegen um
eine weitere Ecke und ich halte an, als wäre ich vor eine Wand gelaufen. Eine Wand
aus Gesichtern und Augen. Viele. Sehr viele. Ein ganzer, riesiger Saal voll.
Und alle blicken mich an. Sie haben mich offensichtlich erwartet.
    Jay zieht mich
sanft, aber unnachgiebig vorwärts, bis wir in der Mitte des Raums stehen. „Seid
gegrüßt.“ Seine Stimme klingt weich wie immer, und doch dringt sie bis in die
hinterste Ecke der Halle.
    „Sei gegrüßt,
Jehudiel.“
    Jehudiel? Ich
sehe Jay fragend an, aber er beachtet mich nicht.
    „Und sei
gegrüßt, Clarissa.“
    Sie klingen wie
viele Stimmen, die aus einem einzigen Mund kommen. Aber die Münder bewegen sich
gar nicht. Erst jetzt fällt mir auf, dass auch Jay seinen Mund nicht bewegt
hat. Die Stimmen sind direkt in meinem Kopf. Panisch versuche ich, nichts mehr
zu denken, außer vielleicht… „Seid… äh… gegrüßt.“
    Einige nicken
mir zu. Also haben sie mich offenbar gehört. Oder so.
    „Ihr habt uns
sehr geholfen. Habt Dank.“
    Erst jetzt
erinnere ich mich an Arik und Claire. Verstohlen blicke ich mich um, aber außer
den Wächtern sehe ich niemanden.
    „Keine Angst,
die Gefangenen befinden sich in sicherem Gewahrsam.“ Ich höre die Stimme und
erinnere mich zu spät, dass sie wohl auch gehört hat, was ich gedacht habe.
„Sobald wir auch die anderen beiden haben, wird ihnen der Prozess gemacht.“
    Mir läuft ein
Schauer den Rücken herunter. Das alles hier kommt mir so vor, als wäre ich
direkt im finstersten Mittelalter gelandet. Und wer weiß? Vielleicht bin ich
das ja. Ich schaudere. Jay drückt beruhigend meine Hand. Oh nein, ich hoffe, er
hat mich nicht schon wieder „gehört“.
    „Das ist gut.
Können wir bei ihrer Festnahme helfen?“, fragt Jay.
    Bitte nicht.
Erleichtert höre ich, wie die Wächter sein Angebot ablehnen. Es sind schon vier
von ihnen unterwegs. Mike und Raphael dürften keine Chance haben. Befremdet
merke ich, dass ich bei dem Gedanken fast so etwas wie Bedauern spüre. Aber
vielleicht ist das normal. Arik hat mich wirklich mies behandelt. Aber Mike war
immer nett zu mir. Und auch, wenn ich weiß , dass er durch seine bloße
Existenz genau so gefährlich ist wie Arik, fühle ich es doch nicht.
    Nachdem meine
Begutachtung durch die Wächter offensichtlich abgeschlossen ist (und ich
scheinbar nicht durchgefallen bin), folge ich Jay durch einen weiteren Gang.
Zwar habe ich keine Ahnung, wohin er geht, aber solange es weg von dieser
geballten Wächter-Energie ist, soll mir alles recht sein. Nach ein paar
Minuten, in denen ich längst wieder jede Orientierung verloren habe, betreten
wir einen kleinen, von Mauern umschlossenen Innenhof, über dem man aber immerhin
ein Stück grauen Himmel sehen kann. Ich atme tief durch und

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