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Zurueck in die Nacht

Zurueck in die Nacht

Titel: Zurueck in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Walter
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merke erst jetzt,
wie beklemmend ich die Atmosphäre in der Burg gefunden habe.
    „Wo sind wir
hier eigentlich?“ Es tut gut, meine eigene Stimme wieder so zu hören, wie ich
es gewohnt bin.
    Er nennt
irgendeinen Namen, der so seltsam klingt, dass ich ihn sofort wieder vergesse.
Aber es interessiert mich sowieso nur begrenzt. Andere Fragen sind drängender.
    „Und was war das
für ein komischer Name, den die Wächter vorhin benutzt haben?“
    Er stutzt kurz,
dann grinst er. „Du meinst Jehudiel? Das ist mein Name.“
    „Und was ist mit
Jay?“
    „Eine Abkürzung.
Für die Menschen. Jehudiel wäre wohl etwas zu ungewöhnlich. Da müsste ich zu
viele Fragen beantworten.“
    „So wie ‚Und
woher kommt er?’“
    „Genau.“ Er
betrachtet mich aufmerksam.
    Ich erwidere
seinen Blick herausfordernd. „Und – woher kommt er?“
    „Wir haben fast
alle solche Namen“, antwortet er ausweichend. „Jehudiel, Nathanael…“
    Das weckt eine
Erinnerung. „Und Raphael und Michael und Ariel?“
    Er verzieht das
Gesicht, als hätte er auf etwas Saures gebissen. „Die haben kein Recht, einen
solchen Namen zu tragen!“, entgegnet er heftig. „Sie sind nicht wie wir. Sie
haben sich etwas genommen, was ihnen nie gehört hat. Komm, ich zeige dir, was
mit denen geschieht, die so etwas tun!“ Er ergreift wieder meine Hand und zieht
mich in eine neue Richtung, raus aus dem Innenhof, zurück in das Gewirr der düsteren
Gänge. Nach kurzer Zeit erreichen wir einen niedrigen Durchgang. Dahinter sehe
ich einige rutschig aussehende Stufen, die hinab ins Dunkle führen.
    Instinktiv
weiche ich zurück. „Was ist da unten?“
    „Der Ort, an den
solche wie sie gebracht werden“, erwidert er finster. „Komm!“
    Alles in mir
sträubt sich, ihm zu folgen, aber er zieht mich hinter sich her, als wäre ich
ein kleines Kind. Die enge Treppe windet sich in einer Spirale tief hinab in
die Finsternis. Mir ist, als würden wir direkt in die Hölle gehen. Jeden
Augenblick erwarte ich, etwas aus dem Dunkel auftauchen zu sehen. Oder Stöhnen
und Schreie zu hören. Doch es ist absolut still, was es irgendwie noch
unheimlicher macht. Ich atme erleichtert auf, als die Treppe endlich endet und
in einen ebenfalls nur schwach durch ein paar rauchige Fackeln erleuchteten,
aber wenigstens etwas breiteren Gang mündet. Unsere Schritte hallen von den
gewölbten Wänden wider.
    Am Ende des
Gangs ist es etwas heller. Als wir uns nähern, spüre ich die Anwesenheit eines
anderen Wächters. Sehen kann ich ihn erst, als wir fast vor ihm stehen. Er
lehnt an der Wand und blickt in den Raum vor ihm. Jay begrüßt ihn mit einem
kurzen Kopfnicken, dann fragt er ihn: „Alles in Ordnung?“
    Der andere
nickt. „Alles ruhig. Eigentlich müsste überhaupt niemand hier sein. Die
entkommen bestimmt nicht.“
    Ich folge seinem
Blick – und mir bleibt fast das Herz stehen. Mitten in dem Gewölbe vor uns
hängen zwei Gestalten. Ihre Arme sind nach oben gestreckt. Um ihre Handgelenke
ist jeweils ein raues Seil gebunden und sie schwanken leicht hin und her. Ihre
Augen sind weit geöffnet, ihre Gesichter leichenblass. Ich kann nicht den
geringsten Hauch von Leben in ihnen entdecken.
    „Sind sie… sind
sie tot?“, flüstere ich schließlich, als ich mich von meinem ersten Schock
soweit erholt habe, dass ich meine Stimme wiederfinde.
    „Tot? Nein“,
erwidert der Wächter mit harter Stimme. „Obwohl sie sich wahrscheinlich wünschten,
sie wären es.“
    „Aber… was ist
denn dann mit ihnen los?“ Ich kann meinen Blick nicht von dem schrecklichen
Anblick vor mir wenden. Irgendetwas daran sticht mir direkt ins Herz.
    „So geht es
jedem, der von den Wächtern gefangen genommen wird.“ Auch Jays Stimme klingt hart
und kalt. „Denn wir nehmen nur die schlimmsten von ihnen gefangen. Die anderen
werden gleich eliminiert.“
    Mich durchfährt
das Bild eines silbernen Messers, das auf eine dunkle Gestalt niedersaust, und
ich zucke zusammen.
    „Aber wenn wir
es für nötig halten, jemandem den Prozess zu machen, dann wird derjenige vorher
hierher gebracht. Hier kann er noch einmal über alles nachdenken, was er getan
hat. Ohne irgendeine Ablenkung. Hier ist er völlig sich selbst überlassen. Wir schalten
all seine Sinne aus. Die beiden dort sind bei vollem Bewusstsein. Aber sie
können nichts sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen. Nicht einmal ihren eigenen
Körper. Nur ihre Gedanken sind bei ihnen. Und die Angst, die jeden früher oder
später ereilt, der gegen

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