Zurück in die Zwischenwelt (German Edition)
Lehre beendet.
Manche gingen, andere kamen dazu und so veränderte sich stets alles. Mit meinem Sohn Rob war ich sehr zufrieden, er war ein Wunschkind. Und auch mit meinem Ehemann Eusebio lief es gut – auch wenn nach so vielen Ehejahren natürlich ein wenig die Luft raus war: Wir waren durch eine tiefe Freundschaft verbunden. Trotzdem fantasierte ich manchmal noch immer über diesen David – den Mann, den ich einst in meinem Wachtraum getroffen hatte und der anscheinend ein Seelenverwandter von mir war. An sein Gesicht konnte ich mich nicht mehr so gut erinnern, ich hätte ihn nicht beschreiben können – ich erinnerte mich aber insbesondere an die spezielle Vertrautheit, die damals zwischen uns spürbar gewesen war: Dieses Gefühl konnte ich einfach nicht vergessen. „Was, wenn es diesen Mann wirklich gibt?“, dachte ich manchmal. „Auf der anderen Seite der Erde, in Australien zum Beispiel?“
Dann starb plötzlich mein Mann Eusebio und ich stellte fest, dass ich in eine Midlifecrisis geriet. „Frauen gehen da auch durch“, wusste ich, „etwas subtiler zwar, aber dafür für einen längeren Zeitraum.“ Die Zeit war also gekommen, sich neu zu orientieren.
David
D er glühende Feuerball brannte oberhalb des Meeres und wir spürten sofort seine Hitze.
„Das gab es das letzte Mal nicht“, kommentierte ich den sonderbaren Sonnenaufgang in der Zwischenwelt. „Gibt es jetzt zwei Sonnen hier?“
„Ja. Fabelhaft, nicht wahr?“, meinte Mona.
„Interessant.“
„Sag, Laura, wieso bist du diesmal hier?“, wollte sie wissen.
„Ich weiß es nicht. Eigentlich war ich dabei, mit Rob eine Höhle zu erforschen und wollte gar nicht hierher.“
„Dann suchst du niemanden?“
„Ähm …“ Ich überlegte. „Moment mal – David! Da wäre schon jemand.“
„David? Wer ist das?“, wollte Rob sofort wissen.
„David ist jemand, den ich vor langer Zeit kennengelernt habe.“
„Hast du Vater betrogen?“
„Betrogen? Nein, Rob, keine Sorge. Und das alles passierte auch lange bevor ich dein Vater traf.“
„Ah.“ Ich konnte Rob ansehen, dass er mit meiner Antwort nicht zufrieden war.
„Ich habe David in einem Traum kennengelernt – genauso wie Mona. Und da sie jetzt hier vor uns steht, ist sie für mich der Beweis, dass sie nicht nur eine Fantasiefigur, sondern Realität ist. Ich hoffe es zumindest – ich hoffe, ich spinne nicht! Aber wegen diesem David … Ich muss der Sache nachgehen, weil es mich sonst nicht in Ruhe lässt. Ich glaube, David existiert wirklich – ich wünsche es mir auf jeden Fall!“
Rob trauerte unbewusst immer noch um seinen Vater, obwohl dieser schon seit Jahren tot war. Einen anderen Mann – einen potentiellen Ersatzvater – empfand er offenbar als störend. Rob hatte seine Trauer nie zugelassen, er hatte sie sogar geleugnet. Das Leben müsse weiter gehen, hatte er oft gesagt, und es ging dann auch weiter – aber Rob war seinen Gefühlen nie gegenübergetreten, obwohl er eigentlich ein besonders mutiger und intelligenter Mensch war. Er hatte sich in sportliche Aktivitäten und Arbeit geflüchtet. Nun arbeiteten seine Gefühle aber in seinem Unterbusstein weiter wie Wasser, das in einem Topf auf dem Herd zum Sieden gebracht wird: Dadurch, dass er die Flüssigkeit mit einem Deckel bedeckte, hinderte er sie beileibe nicht daran, weiterzukochen.
So füllte Rob jeden Moment des Tages mit einer Beschäftigung, damit er sich nicht mit seinen Gedanken auseinandersetzen musste. Das beeinflusste seine Entscheidungen, seine Beziehungen und letztendlich sein ganzes Leben, denn er flüchtete vor sich selbst und lebte nicht mehr frei. Ich versuchte oft, mit ihm über seinen Vater Eusebio zu sprechen, aber er blockte dann immer sofort ab und wollte nicht. Wenn ich darauf beharrte, endete es meistens so, dass er aus der Wohnung stürmte und die Tür zuknallte.
Eusebio war in der Nähe unseres Hauses überfahren worden, als er an einem Sonntagmorgen mit Frida joggen gewesen war – genau einen Tag vor Robs achtzehntem Geburtstag. Es war noch dunkel und der junge Autofahrer war bei einer Party gewesen – er hatte zwei Frauen an Bord und fühlte sich vermutlich als der Größte und Mächtigste: Mehrere Promille zirkulierten in seinem Blut. Wahrscheinlich wollte er die Mädchen mit seiner gewagten Fahrkunst beeindrucken und fuhr deswegen so schnell, dass er sein Fahrzeug kaum noch unter Kontrolle hatte. In dem Moment erschien der Jogger am Rande der Straße und er raste direkt auf
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