Zurück in die Zwischenwelt (German Edition)
ihn zu. Offenbar hatte der Fahrer gar nicht wirklich realisiert, was geschehen war, denn nach dem Unfall fuhr er wieder los und hielt dann bei der nächsten Kreuzung an, um mit seinen Gästen nochmals etwas trinken zu gehen.
Eusebio blieb auf dem Gehweg liegen, das Auto war mit voller Wucht in ihn hineingefahren. Frida – an der Leine, aber nicht mehr an seiner Hand – rannte hinkend und bellend nach Hause. Ich war durch den Knall aufgewacht, dann hörte ich Frida vor dem Haus bellen und ich wusste sofort, dass etwas geschehen war. Eusebio lebte noch, war aber bewusstlos – er starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Der Unfall-Fahrer wurde wenig später stark betrunken angehalten.
Mona unterbrach meine Gedanken: „Rob, wieso siehst du so bedrückt aus?“
„Weil mein Vater tot ist.“
„Ändern kannst du das nicht mehr“, sagte Mona. „Aber du kannst deine Gefühle zulassen, sie verarbeiten und daran wachsen. Vielleicht kommt bei dir nicht unbedingt Traurigkeit hoch, wenn du daran denkst, sondern Wut, weil du damit besser umgehen kannst. Die Wut solltest du zulassen, aber kanalisiert.“
„Was meinst du denn mit ‚kanalisiert‘?“, fragte Rob etwas mürrisch, aber offenbar doch interessiert.
„Gezielt: Nicht alles kurz und klein schlagen, sondern bewusst mit deiner Kraft umgehen und sie für etwas Positives nutzen. Du machst das ja schon, nur ist es dir nicht bewusst. Wenn du wütend wirst, dann geh zum Beispiel zu jemandem, den du kennst, der einen Kamin und einen Garten hat und biete ihm an, einen Nachmittag lang Brennholz zu spalten. Dein Bekannter wird dir dankbar sein und du kannst deine Wut rauslassen.“
„Eine gute Idee, ja.“
„Was du auch machen kannst, ohne irgendwo hingehen zu müssen, ist schreien. Komm, schrei mal los!“
Rob schluckte und räusperte sich. „Nein, das kann ich nicht.“
„Ich bin einmal in den Wald gegangen und habe einfach losgeschrien bis meine Stimmbänder nicht mehr konnten. Das war eine wahre Reinigung meiner Seele!“
„Aber in einem Wohngebiet ist das einfach nicht möglich.“
„Du kannst auch ein Kissen nehmen und hineinschreien, das tut auch gut! Aber versuch es doch hier, gleich jetzt – wir sind momentan ganz alleine!“
„Nein, das ist mir peinlich. Lieber gehe ich holzhacken.“
„Macht nichts. Egal, welchen Weg du wählst – du wirst sehen, du wirst den richtigen Weg für dich finden.“
„Wie viele Wege habe ich denn zur Verfügung?“
„Unbegrenzt viele – und alle führen nach Rom, sagt man ja …“
Ich unterbrach ihren Dialog: „Mona, hast du denn zufällig Eusebio hier gesehen?“
„Ich kenne ihn leider nicht – der Name Eusebio sagt mir gar nichts. Aber Sara habe ich wiedergesehen.“
„Sara …“ ich wurde wehmütig. „Dass Sara hier sein könnte, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Eigentlich fällt mir jetzt auf, dass meine wirkliche Lebensgeschichte große Ähnlichkeiten mit meinem damaligen Traum hat. Damals war sie aber aus der Zwischenwelt weggegangen.“
„Ja, sie musste nicht lange hier verweilen – sie war bereits weise, als sie eintraf. Im Moment ist sie nicht hier. Sie kam aber einige Male zurück, um ihren Bruder, der noch lebt, zu treffen und ihn zu trösten. Schade nur, dass er das jedes Mal vergaß: Wenn er morgens aufwachte, waren die Erinnerungen und die ermutigenden Worte von Sara rasch vergessen. Und jedes Mal, wenn er wieder hier eintraf, tröstete sie ihn erneut.“
Rob schaute mich fragend an. „Wieso fragst du nach meinem Vater? Und Sara – wer ist das?“
„Du hättest dich vielleicht mit ihm unterhalten können. Und Sara war meine beste Freundin.“
„Wie – er lebt noch?“ Rob starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an.
„In unserer Welt nicht mehr, aber hier vielleicht. Damals habe ich hier Verstorbene mit ihren noch lebenden Verwandten getroffen“, antwortete ich ihm.
„Aber wie bist du hier hergekommen?“
„Bei mir passierte es, wenn ich mich im Wasser tief entspannte. Bei anderen geschah es, wenn sie schliefen und träumten. Dann trennte sich ihre Seele vom Körper und sie reisten in die Zwischenwelt, wo sie auf die Menschen trafen, die verstorben waren: Familienangehörige, Freunde, Haustiere oder was auch immer.“
Die zweite glühende Sonne befand sich jetzt hoch über der Meeresoberfläche. Sie leuchtete so stark, dass mein Körper nun zwei Schatten warf, die senkrecht zueinander standen.
„Atemberaubend!“, kommentierte ich das Schauspiel.
Der Weg
„A
Weitere Kostenlose Bücher