Zurück in die Zwischenwelt (German Edition)
dass Mara zwei Jahre später ebenfalls Mutter einer kleinen Tochter war und trotzdem weiterhin denselben Lebensstil pflegte wie vorher: Sie fuhr fast jeden freien Tag etliche Kilometer die Täler hinauf, um stundenlang am Flussufer zu liegen und sich zu bräunen – und das Baby musste mit. Mara band ihrer kleinen Tochter lediglich ein Tuch um den Kopf, stellte ein paar umgekippte Liegestühle um sie herum, um sie einzugrenzen – und fertig, Problem gelöst. Dass sich ihre Tochter dabei nicht wirklich amüsierte, weil sie ja das Wasser hören und zum Teil auch sehen konnte, aber nicht hinein durfte, das kümmerte Mara wenig.
„Ich konnte als Kind auch nicht überall hin!“, rechtfertigte sie sich. Da Mara auf ihr Kind nicht einging, hörte dieses bald auf, sich zu beschweren und resignierte. Dampf ließ es dann aber in gewaltigen Aggressionsausbrüchen gegenüber anderen Kindern aus, weswegen wir uns dann auch nicht mehr so oft trafen: Ich hatte keine Lust, dauernd aufpassen zu müssen, dass ihre kleine Tochter nicht auf Rob einprügelte.
Veronica – eine Freundin, die ich schon seit unseren Kindergartenjahren kannte – hatte auch Kinder bekommen: fünf Stück, wie am Laufband. Wir verstanden uns aber trotzdem nicht mehr gut, weil wir uns in all den Jahren auseinandergelebt hatten, was ich früher nie für möglich gehalten hätte. Sie behielt die Gewohnheiten bei, die sie gehabt hatte, als wir noch zwanzig gewesen waren. Ihr Verhalten blieb dasselbe, nur äußerlich alterte sie. Wenn ich sie nach längerer Zeit zufällig wieder traf, versuchte ich, ihr unvoreingenommen zu begegnen. Aber meistens stellte ich nach nur wenigen Minuten Konversation deutlich fest, dass es nicht mehr wie früher war und ich mit ihr einfach nicht mehr gut zurecht kam.
Veronica wohnte mal hier und mal dort. Sie war dreimal geschieden und zog mit ihren fünf Kindern dauernd um. Manchmal wohnte sie eine Zeit lang einfach bei Freunden, wenn sie in einer neuen Stadt eine Arbeit gefunden hatte, aber noch keine Wohnung. Es schien, als ob sie sich keinerlei Sorgen machte und irgendwie beneidete ich sie auch ein wenig dafür. Ich mochte es ja gerne geregelt und organisiert: eine Arbeit, eine Wohnung und dann erst Kinder, statt umgekehrt. Für sie war aber alles, wie sie selbst sagte, „locker: Take it easy!“ Diese Einstellung ging mir auf die Nerven, denn ich selbst konnte nicht alles im Leben locker finden.
Was mich bei den Begegnungen mit ihr aber am meisten störte, waren ihre herabsetzende Blicke oder Kommentare: Ihr gegenüber fühlte ich mich wie ein Spießer – sie brachte es fertig, dass ich mich wie einer fühlte. Als ich ihr einmal stolz erzählt hatte, dass ich eine gute Arbeit bei einer bekannten Firma bekommen hatte, die zu dieser Zeit sogar eine Briefmarkenserie herausgegeben hatte, bemerkte sie nur mit einem geringschätzigen Lächeln: „Ah? Was für eine Firma? Briefmarken mit Blumen? Nein, ha ha ha – keine Ahnung, wovon du sprichst. Aber erzähl weiter, klingt interessant …“
Bei den letzten Worten rollte sie ihre Augen Richtung Himmel und ich fühlte mich mal wieder erbärmlich. „Vermutlich kifft sie immer noch“, dachte ich und musste mir einfach eingestehen, dass wir uns tatsächlich auseinandergelebt hatten.
Nun, einige Freunde wie Mara und Veronica waren verloren gegangen, aber andere Freundschaften stärkten und vertieften sich – manchmal, gerade zu den Menschen, von denen ich es nie erwartet hätte. So waren Diana, Mario, Walter und Karina wie aus dem Nichts aufgetaucht und zu einem festen Bestandteil meines Freundeskreises geworden. Zwei von ihnen waren schon vorher da gewesen, aber nun sah ich sie plötzlich wie mit anderen Augen; die anderen beiden waren ganz neu dazugekommen. „Das Leben ist schön, weil man nie weiß, was es für einen vorbereitet hat“, denke ich manchmal, wenn ich mir diese Veränderungen vor Augen führe.
Oft fragte ich mich, wie es wohl mit Sara, meiner früheren besten Freundin gewesen wäre. Mit ihr hatte ich zahlreiche Abenteuer erlebt – sie war es ja auch gewesen, mit der ich nachts ins öffentliche Schwimmbad eingebrochen war. „Hätten wir uns auch auseinandergelebt?“, überlegte ich. „Garantiert hätte sie mich und meine Lebensart nicht für doof oder spießig gehalten: Sie ist Menschen immer mit Respekt begegnet.“ Aber leider würde ich auf meine Frage nie eine Antwort erhalten, denn sie war früh an Krebs gestorben, da hatte sie noch nicht einmal ihre
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