Zurück in Virgin River (German Edition)
würde.
Jack lehnte sich einen Augenblick an Preachers Arbeitsplatz und starrte vor sich hin. Sein Atem ging schnell, und sein Herz klopfte heftig, als er spürte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen. Er hatte schon seit geraumer Zeit nicht mehr daran geglaubt, dass Rick je wieder normal würde. Jack hatte gefürchtet, dass sich Rick für den Rest seines Lebens in einen fiesen, wütenden Mann verwandelt hatte. Dabei war Rick einmal der vor Freude strahlendste junge Mann gewesen, den Jack kannte. In den letzten Jahren war Rick der wunderbarste und anständigste junge Mann gewesen, den Jack sich vorstellen konnte.
„Jack?“, fragte Preacher. Jack hob den Kopf. „Oh, hast du schon wieder das Spülbecken in der Bar desinfiziert und was vondem Zeug in die Augen bekommen? Himmel, du bist aber auch wirklich ziemlich begriffsstutzig. Komm hier rüber, dann waschen wir dir die Augen aus.“
„Habe ich schon getan“, erklärte Jack in einem ruhigen Tonfall. „Es ist alles in Ordnung.“
„Mann, du musst besser aufpassen! Du wirst eines Tages noch erblinden, Herrgott noch mal!“
„Ich habe es begriffen. Ich brauche ein paar frische Gläser“, sagte Jack schniefend.
„Die habe ich doch schon rausgebracht. Keine fünf Minuten her“, erwiderte Preacher.
Jack biss sich auf die Lippe. Innerlich fühlte er sich wie neugeboren. Dennoch herrschte er Preacher an. „Gib mir einfach noch mal ein paar frische Gläser, verdammt noch mal.“
„Ist ja schon gut“, entgegnete Preacher. „Vielleicht hättest du das Desinfektionszeug lieber trinken sollen. Dann wäre die Laus, die dir über die Leber gelaufen ist, jetzt tot.“
16. KAPITEL
B is Ende Juni sahen Rick und Liz „den Außerirdischen“ mehrfach. Für sie beide war der Monat ziemlich hektisch verlaufen. Rick ging immer noch zweimal pro Woche zur Einzeltherapie, fuhr aber inzwischen selbst hin. Er hatte einen Toyota Truck mit einem erhöhten Führerhaus gefunden, der ihm die nächsten Jahre sicher gute Dienste leisten würde. Bezahlt hatte er den Wagen mit seiner monatlichen Invalidenrente. Da Liz momentan zwei Jobs gleichzeitig hatte, konnten sie sich nur morgens, freitags- oder samstagsabend treffen. Sie verbrachten zwar nicht viel Zeit miteinander, aber wenn sie sich sahen, gingen sie sehr süß miteinander um.
Es sprach einiges dafür, ihre Erfahrungen zu nutzen, um gemeinsam erwachsen zu werden und voneinander zu lernen. Dieser Typ aus der Rehaklinik damals in San Diego hatte recht, die Beinprothese lehnte am besten an der Wand, wenn Rick und Liz miteinander schliefen. Zärtlich, ungestüm und sehr befriedigend. Das fehlende Bein schien dabei überhaupt keine Rolle zu spielen.
„Bist du sicher, dass dir ein Typ mit einem Bein genügt?“, fragte Rick sie.
„Vor uns liegen noch so viele Jahre, Rick. Vermutlich wird es da auch mal Momente geben, in denen ich etwas zu kurz komme. Aber ich hoffe, dass du mich dann trotzdem immer noch genauso liebst. Erwarte ich da zu viel von dir?“
„Nein. Ich weiß gar nicht, womit ich dich verdient habe.“
„Und um deine Frage zu beantworten: Es fällt mir ehrlich gesagt überhaupt nicht auf, dass dir ein Bein fehlt. Ich bemerke es immer nur dann, wenn du dich darüber beklagst, dass dir der Stumpf wehtut. In Wahrheit wirkst du jetzt viel reifer auf mich. Mutiger. Intelligenter. Ich würde sogar behaupten, dass ich dich mehr denn je liebe, wenn es nicht unmöglich wäre.“
Nach ihrer Freitagnachmittagsverabredung mit Jerry fuhren Rick und Liz gemeinsam nach Virgin River zurück. Sie gingenin die Bar, wo Liz sich vor der Arbeit im Laden ihrer Tante mit einer großen Cola versorgte und Rick noch ein Weilchen blieb, um mit seinen Freunden zu sprechen und zu Abend zu essen. Nach Ladenschluss trafen sich Rick und Liz gewöhnlich auf der Veranda von Ricks Großmutter.
In den letzten Wochen hatte sich in ihrem Leben eine Menge verändert. Rick war nicht mehr der schweigsame, verbitterte junge Mann, der sich Freunde und Bekannte mit seinem unfreundlichen Benehmen vom Leib hielt. Inzwischen freute er sich sogar wieder auf das freitägliche Bierchen mit seinen Kumpels und tauchte sogar auch häufiger einfach so in der Bar auf, um Jack zu sehen. Und weil er sich seiner Beinamputation nicht mehr schämte, trug er Shorts und kümmerte sich nicht darum, dass man seine Prothese sah. Obwohl sein Gang noch etwas langsam und manchmal auch noch ein wenig unsicher war, verzichtete er inzwischen ganz auf den Gehstock.
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