Zurück in Virgin River (German Edition)
gekommen und hatte die Sprechstunde eröffnet. Eine junge Mutter saß mit ihrem achtzehn Monate alten Baby, das ganz offensichtlich unter einer Mittelohrentzündung litt, im Wartezimmer. Das Kind hatte Fieber, schlug sich gegen die Ohren und weinte. Mel wäre gut alleine damit klargekommen, aber da sie wusste, dass Cameron jederzeit eintreffen würde, hatte sie lieber auf ihn gewartet. Er war der Kinderarzt.
Innerhalb kürzester Zeit schickte er Mutter und Kind mit einem Antibiotikum wieder nach Hause. Anschließend ging er in die Küche, wo er Mel begegnete. „Ich bin normalerweise früher hier als du“, sagte er.
„Ach, Jack ist heute Morgen nach San Diego aufgebrochen. Er holt Rick ab. Und er kann überhaupt nicht gut mit der Situation umgehen. Er hat nicht viel geschlafen, war schon um vier Uhr wach und ganz wild darauf, endlich loszufahren. Die ganze Sache macht ihn fertig. Dann hat er so einen Lärm veranstaltet, dass die Kinder viel zu früh aufgewacht sind, und jetzt sind sie total quengelig, weshalb ich sie bei ihrer Tante Brie noch mal hingelegt habe. Wir sind alle völlig durcheinander.“ Mel holte tief Luft. „Jack macht sich solche Sorgen um Rick. Wenn er so drauf ist wie im Moment, reagiert er manchmal über.“ Sie wirkte ratlos. „In seinem Herzen ist so viel Liebe. Er will einfach nur, dass es den Menschen, die er liebt, gut geht.“
„Lieber Himmel“, stieß Cameron aus. „Weißt du eigentlich, wie schön sich das anhört?“
„Tatsächlich?“
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, was es mir bedeuten würde, wenn die Richtige so über mich sprechen würde.“
Mel hob die Kaffeetasse an den Mund und trank einen Schluck. „Vielleicht tut sie das schon, Cam. Und falls nicht, dann kennt sie dich vielleicht noch nicht gut genug. Wie geht es dir und Abby?“
Er lächelte. „Ich bin immer noch nicht wieder zurück in mein Bett verbannt worden.“
„Gut“, sagte Mel. „Das ist ja immerhin schon etwas.“
„Vielleicht sollte sie mich aber lieber verbannen. Ich habe immer noch nicht mit ihr gesprochen.“
„Und warum nicht?“
„Weil ich Angst habe, dass sie flüchtet, wenn ich ihr gestehe, was ich wirklich für sie empfinde. Deshalb.“ Weiter kam er nicht, weil das Telefon klingelte.
„Ich geh ran“, sagte Cameron. Er hob den altmodischen Hörer ab und meldete sich mit einem kurzen, knappen „Klinik“.
„Cameron“, flüsterte Abby in den Hörer. „Hier sind Rehe im Garten!“
„Echt?“, fragte er. „Warum flüsterst du denn so? Können sie dich etwa hören?“
„Ich will sie nicht erschrecken, aber ich wünschte, du wärst hier. Ein Rehkitz ist auch dabei. Und bei den anderen gibt es welche, die aussehen, als wäre es bei ihnen gleich so weit. Okay, sie sind nicht ganz so fett wie ich, doch vielleicht werden wilde Tiere auch nicht so dick.“
Cameron lachte ins Telefon. „Ich habe dir doch gesagt, du siehst wunderschön aus.“
„Wenn du noch eine halbe Stunde länger zu Hause geblieben wärst, hättest du sie noch gesehen. Cameron, es sind sechs Tiere.“
„Auch Rehböcke?“
„Nur die Mütter und ein Baby.“
„Das Rehkitz“, wiederholte er.
„Es sieht so aus, als sei es gerade erst zur Welt gekommen. Es steht noch ganz wackelig auf den Beinen. Oh, ich wünschte mir so, dass du das sehen könntest.“
Er legte die Hand über den Hörer. „Mel? Kannst du mich eine Zeit lang entbehren? Abby hat ein paar Rehe im Garten.“
„Klar. Wir haben noch keine weiteren Termine. Ich ruf dich an, falls jemand kommt, der dich braucht“, beruhigte sie ihn und lächelte, während sie die Tasse mit beiden Händen umklammerte.„Los, hau ab!“
„Ich komme nach Hause“, sagte er zu Abby. „Ich parke unten an der Straße und gehe den Rest zu Fuß. Vielleicht erschrecke ich sie, wenn sie mich riechen. Aber ich versuche es mal.“
Er fuhr ein bisschen schneller als nötig, denn er konnte es kaum abwarten, Abbys aufgeregten Gesichtsausdruck zu sehen. Er stellte das Auto am Straßenrand ab und schlich so leise wie möglich den Waldweg entlang. Als er zur Lichtung kam, waren die Rehe schon bis zur Waldgrenze weitergezogen. Er umrundete die Hütte weiträumig, um die Tiere nicht in die Enge zu treiben, und betrat die Veranda auf Zehenspitzen. Ein Tier hob den Kopf; zweifellos rochen sie ihn, dennoch verscheuchte er sie nicht. Das überraschte ihn. In dieser Gegend gab es zu viele Jäger, um sich dermaßen sicher zu fühlen.
Abby hielt ihm die Tür auf. Sie
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