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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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nichts erinnern, außer an die Schmerzen hinter seinen Schläfen, die wie Bomben explodierten. Blitze, unbeschreiblich helle Blitze, die durch seinen Körper zuckten und ihn lähmten. Die Schmerzen mussten so schlimm gewesen sein, dass er für einen Moment nicht mehr gewusst hatte, was er tat. So schlimm, dass er etwas hatte zerschlagen müssen.
    Angel zog eine Handvoll Papiertaschentücher aus der Packung auf seinem Schreibtisch und drückte sie gegen die blutenden Schnitte. Wann hatten sie angefangen, diese Gedächtnislücken, dieser grelle, unerträgliche Schmerz? Die Medikamente, die er sich selbst verordnet hatte, konnten seine Kopfschmerzen schon lange nicht mehr lindern, im Gegenteil traten inzwischen noch andere, weitaus erschreckendere Symptome auf, wie der Vorfall eben oder der heftige Wunsch, gewalttätig zu werden. Neulich war der Spiegel zu Bruch gegangen und alles, woran er sich erinnern konnte, war, dass er sein Gesicht anstarrte und in der nächsten Sekunde das Ding vor seiner Nase explodiert war.
    Verbissen presste er die Lippen aufeinander, während er die Verpackung einer Kompresse aufriss, sie über die klaffende Wunde legte und mit Heftpflaster fixierte, um die Blutung zu stillen. Jemand sollte dasselbe mit ihm tun – ihn stoppen. Schnaubend fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare und schaute sich voller Verwirrung und Frustration nach weiteren verräterischen Spuren seines Gefühlsausbruches um, während er durch das leere Wartezimmer der pädiatrischen Ambulanz ging, seinen Kittel in den Wäschesack stopfte und schließlich die Tür hinter sich schloss.
    Seit er auf diese Station versetzt worden war, versah Angel seinen Dienst mit zunehmender Distanz und Unzufriedenheit. Natürlich gab er auch hier sein Bestes für die Patienten, etwas anderes kam für ihn gar nicht in Frage, ihr Los indes berührte ihn kaum. Es war nicht unbedingt so, dass er Kinder nicht mochte, immerhin würde er selbst bald eines haben. Er konnte ganz einfach nicht allzu viel mit ihnen anfangen.
    Jener schwarze Tag, an dem ihn der Professor von seiner Entscheidung in Kenntnis gesetzt hatte, lag inzwischen zwei Wochen zurück, nichtsdestotrotz haderte Angel noch immer mit seinem Schicksal. Er betrachtete die Kinderstation lediglich als kurzen, unliebsamen Zwischenstopp auf dem Weg zurück in die Chirurgie. Er war ein guter, ein überaus talentierter Chirurg. Hatte ihm der Chefarzt das nicht mehrmals bestätigt? Der Professor wusste, wie sehr er die Arbeit im Operationssaal liebte. Und er war stets stolz auf ihn, seine sichere Hand und eiskalte Ruhe, sein Können und Wissen, gewesen.
    Angel s Mund verzog sich automatisch zu einem nichtssagenden Lächeln, als er das Wartezimmer von Doktor Bernd in der Gynäkologie betrat und Karo gegenüberstand. Sie wartete als einzige Patientin in dem kleinen Raum. Demnach hatte Bernd ihn ihretwegen kommen lassen. Na schön, dieses Mal wollte er ihm sein süffisantes Getue verzeihen.
    „Hast du es dir also anders überlegt. Warum nicht gleich so?“, stellte Angel mit einer gewissen Genugtuung fest und küsste Karo zur Begrüßung flüchtig auf die Wange. „Mir ist es wirklich lieber, wenn du hier betreut wirst. Warum hast du mich nicht selbst angerufen? Hast du meine Handynummer etwa wieder verbummelt?“ Seine Stimme nahm einen vorwurfsvollen Ton an und wurde schärfer. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst sie stets bei dir tragen. Gerade jetzt, wo das Baby unterwegs ist, solltest du daran denken. Du weißt, wie wichtig mir dieses Kind ist.“
    Sie drehte sich um und s chaute aus dem Fenster. Diese seit Tagen geführte Diskussion, von welchem Arzt sie sich während der Schwangerschaft behandeln lassen sollte, wollte sie nicht fortsetzen, hatte sie blitzschnell entschieden. Ehe Angel weiter lamentieren konnte, öffnete Doktor Bernd die Tür zum Behandlungszimmer und rief sie beide zu sich.
    „Darf ich vorstellen , Frau Seiler, im vierten Monat schwanger. Sie wurde vom Marienkrankenhaus zu uns überwiesen. Man fühlte sich dort wohl etwas überfordert mit ihr“, fügte der Gynäkologe feixend an.
    Karo registrierte, wie diese Bemerkung Angel peinlich berührte. Dennoch erwiderte er nichts darauf, sondern starrte sie stattdessen mit kaltem Blick an. Ein ungutes Lächeln umspielte seine Lippen. Unwillkürlich zogen sich ihre Poren zusammen, als würde sie in einem Eisschrank sitzen.
    „Kommen Sie, meine Liebe, legen Sie ab und dann machen Sie es sich bequem. Sie haben von uns

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