Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
damit anfangen ließ.
Entsetzen packte Sina Bertram, die hinter dem Marquess den Keller betrat und Angel reglos auf dem nackten Boden liegen sah. Er war noch immer angekettet, ganz so als befürchtete der Hausherr, sein Gefangener könnte ihm sogar in diesem Zustand gefährlich werden. Die Eisen hatten sich tief in das Fleisch seiner Handgelenke eingegraben und Blutergüsse schillerten in allen Farben um seine Schultern, weil sie ihn während der vergangenen Tage wieder und wieder an den Armen aufgehängt hatten. Seine Augen waren tief in die Augenhöhlen eingesunken, Wangen und Kieferknochen zeichneten sich überdeutlich unter der bleichen Haut ab.
Hastig kniete sie sich neben Angel und tastete suchend an seinem Hals nach dem Puls.
„Lösen Sie seine Fesseln! Und legen Sie ihn auf die Pritsche. Helfen Sie mir! Vorsichtig“, rief sie mit Nachdruck. „Er kollabiert!“
„Das bisschen Flüssigkeitsentzug bringt ihn nicht gleich um.“
„Das bisschen?! Er ist völlig dehydriert! Warum haben Sie mich nicht früher geholt? Hoffentlich machen das seine Nieren mit!“
„Ach ja, die Nieren“, wiederholte der Alte nachdenklich und trommelte mit den Fingerspitzen auf seine Lippen, als ihm ein teuflischer Gedanke kam. „Dann sehen Sie mal zu, dass Sie ihn schnell wieder auf Vordermann bringen, vor allem seine Nieren.“
Die Kälte in seiner Stimme brachte die Ärztin dazu aufzublicken. „Was meinen Sie damit?“
„Noch bin ich niemandem Rechenschaft schuldig, schon vergessen, Schätzchen? Kümmere dich um deine Arbeit!“
Mit einem Blick auf die dünne Reitgerte, die der Marquess gereizt an seine Stiefel klatschen ließ, zog Sina den Kopf ein. „Wann haben Sie ihm das letzte Mal zu trinken gegeben?“
„Du verwechselst da wohl etwas, Süße. Ich bin nicht seine Amme.“
Verzweifelt schüttelte sie den Kopf und flüsterte in einem Anflug von Mitleid: „Er sollte besser in einem Krankenhaus behandelt werden. Beinahe fünf Tage ohne Wasser! Ein Wunder, wenn er das überlebt.“
Mit geübtem Griff bereitete sie die Vollelektrolytlösung für eine Infusion vor. Als sie Angel eine Sonde legte, stöhnte er leise auf. Obwohl er sie nicht sehen konnte, spürte er ihre Nähe, fühlte ihre sanften Hände auf seiner nackten Haut. „Sina.“
„Schon gut, ich bin hier. Du dachtest doch nicht etwa, ich würde dich alleinlassen? Keine Angst, mein Lieber, so schnell wirst du mich nicht los.“
„Warum …“ Ein trockener Husten schien seine Brust zerreißen zu wollen und hinderte ihn am weiteren Sprechen.
„Halt den Mund! Ich muss die Sonde einführen.“
Sie wollte seine Fragen nicht hören.
Karo hatte es aufgegeben , Angels Telefonnummer zu wählen. Anstelle seines wohl klingenden Baritons meldete sich eine freundliche, aber kalte Tonbandstimme. Ohne Erbarmen wurde sie von einem geschlechtslosen Wesen davon in Kenntnis gesetzt, dass keine Verbindung zu der gewählten Funknummer hergestellt werden könne.
Angels Handy blieb abgeschaltet.
Irgendwann hatte sie ebenfalls aufgehört, Danilo mit ihrer Sorge um Angel zu nerven. Er hatte sich zwar noch nicht über ihr Gezeter beschwert – dafür war er viel zu taktvoll und höflich –, allerdings glaubte sie zu spüren, wie er innerlich jedes Mal die Hände über dem Kopf zusammenschlug, wenn sie mit diesem Thema anfing.
Sie war doch nicht die Einzige auf dieser Welt, um die sich Danilo kümmern musste, ermahnte sie sich. Er hatte lange genug Kindermädchen für sie gespielt und es wurde höchste Zeit, dass sie sich und ihr Leben wieder in den Griff bekam. War sie nicht immer furchtbar stolz auf ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit gewesen? Und nun, da sie selbst bald Mutter sein würde, führte sie sich auf wie ein kleines, verwöhntes Gör.
Es war mehr als eine bloße Ahnung , dass etwas passiert sein musste. Sie konnte es deutlich spüren. Angel hätte sich längst bei ihr gemeldet. Wer oder was hinderte ihn daran? Er würde sie nicht alleinlassen. Nicht freiwillig. Und schon gar nicht, seit er sie um ihre Hand gebeten hatte und sie seinen Ring am Finger trug. Angel hatte sie nicht aus Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein gefragt. Und selbst wenn es eine Lüge gewesen sein sollte, um sie in sein Bett zu bekommen, die Babys waren ihm nicht gleichgültig. Allein ihretwegen würde er sich mit der Mutter seiner Kinder arrangieren. Die elegante, seidenzarte Doktor Bertram konnte dieser Liebe nichts anhaben.
„Wenn es dich beruhigt, werde ich
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