Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Schreibtisches auf.
„ Ich kann nicht glauben, dass er uns so enttäuscht. Er lässt Karo nicht sitzen, schon gar nicht jetzt wo sie schwanger ist. Natürlich kann man bei einer Frau wie der Bertram einen trockenen Mund bekommen. Natürlich habe ich bei unserer ersten Begegnung genau wie die anderen zweimal hingesehen. Aber Angel ist kein grüner Junge mehr! Er freut sich wie ein Schneekönig auf seine Kinder und weiß, was Karo ihm zuliebe alles aufgegeben hat.“
„Er hat s ich in letzter Zeit sehr verändert. Karo ging sogar so weit zu behaupten, mit einem völlig Fremden in der Praxis von Doktor Bernd gewesen zu sein. ‚Das war er nicht‘, waren ihre Worte. Ich habe mir seitdem den Kopf darüber zerbrochen, was sie damit gemeint haben mochte.“ Danilo blickte den Professor eindringlich an. „Aber inzwischen muss ich ihr recht geben. Ist Ihnen nicht auch schon aufgefallen, dass Angel hin und wieder irgendwelche Ereignisse vergisst? Wichtige, erst kurz zurückliegende? Dass er abstreitet, jemanden zu kennen, mit dem er noch eine Stunde vorher im OP gestanden hat, oder etwas gesagt zu haben, obwohl es mehrere Zeugen dafür gibt? Er hat mir gegenüber bestätigt, sich nicht einmal an den Verlauf der Sitzungen mit Doktor Bertram erinnern zu können. An keine einzige! Hat sie mit Ihnen über ihre Behandlungen gesprochen?“
„ Dir ist klar, dass dies der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt.“
Scheiß auf die ärztliche Schweigepflicht! wollte er schreien, stattdessen fragte er: „Hat sie jemals angedeutet, Angel könnte unter einer Persönlichkeitsstörung leiden?“
Der Professor schwieg, seine Miene dagegen drückte weder Überraschung noch Unwissenheit aus.
„Sie haben es also gewusst.“
„Was wissen wir schon über die Problematik der Persönlichkeitsstörungen? Nein, Danilo, ich hatte höchstens den Verdacht, dass Angels Verletzungen wesentlich komplexer sein könnten. Wenn man bedenkt, dass jedes Ich eigene Erfahrungen gemacht hat und über seine eigene Gestik, Krankengeschichte und Handschrift verfügt, kann man bei Angel durchaus eine dissoziative Identitätsstruktur vermuten. Anders lässt sich kaum erklären, dass er, abgesehen von diesen dubiosen Unfällen und enormen Erinnerungslücken, keine Krankheiten hatte. Oder die verschiedenen Bilder seiner Handschrift.“
„Kar o gegenüber behauptete er steif und fest, er wäre Linkshänder. Und ich selber habe ihn dabei beobachtet, wie er Aufzeichnungen in Spiegelschrift machte, ohne dass es ihm Mühe bereitete oder er darüber auch nur nachdachte.“
„Umgeschulte Linkshänder verfügen mitunter tatsächlich über diese Gabe. Aber wir wissen nicht sicher, ob die Ursache für diese Ungereimtheiten in Angels Verhalten wirklich eine Persönlichkeitsstörung ist. Deswegen habe ich ihn mit Doktor Bertram bekannt gemacht, sie ist die Spezialistin auf diesem Gebiez. Jetzt muss ich mir den Vorwurf gefallen lassen, dass diese Idee vielleicht grundverkehrt war. Warte einen Moment.“ Müde stand der Professor auf, nachdem er endlich den passenden Schlüssel in dem Schubfach gefunden hatte. „Ich hole die Personalakte.“
Mit leeren Händen kam er aus dem Nebenraum zurück, in dem die Unterlagen in St ahlschränken aufbewahrt wurden. „Irgendetwas stimmt hier nicht“, sinnierte er und strich sich mit dem Finger über sein Kinn. „Ich bin mir sicher, gestern Abend war das Siegel unversehrt. Außerdem ist die Akte der Bertram nicht an ihrem Platz.“
„Vielleicht hat Ihre Sekretärin zufällig …“
„Die gute Elsa tut nichts zufällig. Und überhaupt, aus welchem Grund sollte sie die Akte holen, wenn ich sie nicht benötige? Auf ihrem Tisch liegt sie nicht. Ich glaube, du rufst jetzt besser die Polizei. Wir müssen eine Vermisstenanzeige aufgeben. Die Sache gefällt mir nicht. Ich kann nicht glauben, dass Angel mit dieser Frau … Nein! Nicht Angel.“
29. Kapitel
Z ur gleichen Zeit wurde in einem vierhundert Kilometer entfernten Casino ein rotblonder Jüngling von zwei in Schwarz gekleideten Muskelprotzen in die Mitte genommen. Ohne ein Wort an ihn zu verlieren, hoben sie den schmalen Hänfling von seinem Stuhl am Spieltisch und schoben ihn vor sich her durch den in rotes Licht getauchten Gang. Nicht einer der Gäste des Hauses ließ sich in seinem Spiel unterbrechen. Dieses halbe Kind war ihrer Aufmerksamkeit nicht würdig. Erst vor der Tür zum Büro des Geschäftsführers hielten die beiden Rausschmeißer den Jungen an den
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