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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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mit dem schwarzen Lockenhaar wehren zu können. Wie lange hatte er auf sie gewartet! Gleich. Die Konturen ihrer zarten Gestalt wurden immer schärfer, bis auch ihr blasses Gesicht …
    Er streckte verlangend die Hände aus, wollte seine Mutter an sich ziehen, seine Arme um sie legen. Alles, was ihr wehtun konnte, müsste zuerst durch ihn hindurch. Er würde sie beschützen. Jetzt war er stark genug.
    Doch jäh wurde dieses sanfte, befreiende Hinübergleiten in die andere Welt unterbrochen, als etwas durch die schmutzigen Fluten direkt auf ihn zu schoss und die Stille durchbrach. Was war denn das? Ein Hai? Nein, es waren Krakenarme, die sich fest um seinen Brustkorb schlangen. Instinktiv wollte er nach dem Springmesser greifen, das in seinem Gürtel steckte, aber sein Arm wurde von diesem Biest dicht an den Körper gedrückt, bis er glaubte, sämtliche seiner Knochen würden brechen. Jemand presste das Mundstück eines Sauerstoffgerätes zwischen seine Zähne. Mit ungeheurem Druck strömte das Gas in seine Lungen und schien sie zerreißen zu wollen. Das Blut hämmerte in seinem Schädel einen wilden Takt und brachte ihn an den Rand der Raserei.
    Neeein! Nicht jetzt! Er musste seine Mutter vor diesem Mann schützen!
    In einem unerwarteten Ansturm von Aggression schlug Angel um sich und spuckte den Lungenautomaten aus. Sauerstoffblasen schossen durch das Wasser und wiesen die Richtung zur rettenden Oberfläche. Er wollte nicht dorthin zurück. Wollte nicht … Wollte …
    Vier Hände packten mit dem stahlharten Griff von Schraubzwingen seine Arme, drehten sie auf seinen Rücken und zerrten ihn, der unvermindert und mit der verzweifelten Kraft eines verwundeten Tieres gegen die vermeintliche Ruhestörung ankämpfte, an die Wasseroberfläche. Er wand und wehrte sich, konnte es nicht aushalten, schwach und hilflos zu sein. Ein wenig nur verdrehte er seine Augen, die dem lustig tanzenden, immer größer werdenden Wirbel der Sauerstoffblasen folgten. Und sich drehten und weiter drehten.
    Dann war er verschwunden und ließ einen Neuen zurück. Todor.
    Zuerst hörte er n ichts als krampfhaftes Husten und den keuchenden Atem der beiden Kampfschwimmer in schwarzen Neopren-Anzügen. Neben ihm würgte jemand an verschlucktem Salzwasser. Verwundert blickte er in vor maßlosem Entsetzen aufgerissene Augen in bleichen Gesichtern. Was starrten sie ihn so an? Was machten sie überhaupt hier? Er konnte nirgends einen Badestrand sehen. War er so weit hinausgeschwommen, dass sie ihn zurückholen mussten? Irgendetwas musste passiert sein, denn er konnte sich nicht erklären, wieso er sich derart schlapp fühlte. Er war ein guter Schwimmer.
    Woher er das wusste … wusste er nicht. Er war sich dessen gen auso sicher wie der Tatsache, dass der eine Adrian Ossmann war. Ossi, sein treuer Freund. Auf ihn war schon immer Verlass gewesen, wenngleich ihm nicht einfallen wollte, wie er darauf kam. Wenn Ossi auftauchte – und das im wahrsten Sinne des Wortes –, konnte ihm nichts passieren.
    Was er hier tat, war nicht mehr wichtig , ebenso die Frage, weshalb er diesen eigenartigen Anzug statt einer Badehose trug. Er wollte nicht darüber nachdenken, weil dann wieder diese nervenden Kopfschmerzen anfingen, bis er sich deswegen sogar übergeben musste.
    Ein eigenartig gurgelndes Lachen stieg seine Kehle empor. Welch groteske s Bild die Froschmänner abgaben! Er öffnete den Mund, um seinen Kommentar zur Absurdität der Situation beizusteuern, doch noch bevor er einen Ton über seine Lippen brachte, rann ihm Blut aus einer breiten Wunde am Kopf in die Augen und er wurde ohnmächtig.
     
    Die Gesichter tauchten aus dem weißen Nebel, konturenlos und verschwommen zunächst, sahen sie auf ihn herab, ratlos, enttäuscht, verärgert. Eine aufgezogene Spritze wurde weitergereicht und an die Kanüle in seiner Armbeuge gesteckt. Unaufhaltsam setzte das Gift sein zerstörerisches Werk fort. Ein Meer unerträglicher Schmerzen drang von allen Seiten auf ihn ein, breitete sich in jeder Faser seines Körpers aus und zwang ihn in Agonie.
    Die Dämmerung in seinem Bewusstsein, die zaghaft nach dem Abklingen der Wirkung der ersten Dosis aufziehen wollte, wich erneut völliger Schwärze. Er kämpfte nicht dagegen an, es wäre eine sinnlose Verschwendung seiner Energie gewesen.
    Er zog sich in den geheimen Winkel zurück, den niemand außer ihm kannte.

3 2. Kapitel
     
    Es war still geworden in dem großen Haus, das auf Kindergeschrei und Lachen gewartet hatte und

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