Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
überhaupt keinen Schlaf, aber oftmals brach sie vor schierer Erschöpfung zusammen – er hatte sie am nächsten Morgen schon in den unmöglichsten Winkeln des Hauses gefunden, völlig verwirrt und vor Kälte zitternd –, bis Albträume sie nach ein, zwei Stunden weckten und sie sich zwang, nicht wieder einzuschlafen.
Es brach ihm beinahe das Herz, als er sie jetzt in dem großen Sessel zusammengerollt sah. Sie lag ganz still, die Anspannung war von ihrem Gesicht gewichen und ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig, weshalb er vermutete, dass sie sich in einer Tiefschlafphase befand.
Ih m blieb keine andere Wahl.
„Karo.“ Er legte seine Finger sacht um ihre kalte Hand und schüttelte sie sanft.
Mit einem schrillen Schrei fuhr sie in die Höhe und entriss Danilo ihre Hand, als würde seine Berührung ihr körperliche Qualen bereiten. Verwirrt blickte sie in sein bestürztes Gesicht, am ganzen Körper schlotternd. Es schien, als würde sie ihn nicht erkennen.
„Tut mir leid, Karo. Du hast das Klingeln nicht gehört, deswegen habe ich mit meinem Schlüssel die Tür geöffnet. Karo …“ Er räusperte sich und suchte angestrengt nach den richtigen Worten. „Wir müssen in die Klinik. Der Kinderarzt hat eben angerufen. Es eilt. Er will … Zieh dich bitte an. Ich warte vor dem Haus auf dich.“
Er bezweifelte, dass sie ihn verstanden hatte , denn sie sah mit stieren Blicken wortlos durch ihn hindurch. Dunkle Schatten lagen unter ihren großen Augen und ließen ihr schmales Gesicht noch bleicher erscheinen.
„ Doktor Arrab sagte … er will mit uns reden. Karo, komm.“
Schweigend saßen sie wenige Minuten später in Danilos Auto und fuhren durch die menschenleeren Straßen der schlafenden Stadt. Nicht bloß Karos unerklärliches Verhalten machte Danilo Angst. Sein Gefühl sagte ihm, dass bei Doktor Arrab wenig erfreuliche Nachrichten auf sie warteten.
„Frau Seiler, bitte, nehmen Sie Platz.“ Doktor Arrab hatte Karo und seinen Kollegen in das Arztzimmer gebeten und schloss leise die Tür hinter sich. Er ging zu seinem Schreibtisch, setzte sich jedoch nicht. „Frau Seiler, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr kleiner Jonas … Sein Herz hat vor einer halben Stunde aufgehört zu schlagen. Er war viel zu schwach. Wir konnten ihn für kurze Zeit reanimieren, aber er hat es nicht geschafft. Es tut mir sehr leid.“
Ihr teilnahmsloser und seltsam entrückter Gesichtsausdruck irritierte den Kinderarzt. Er blickte zu Danilo und hob fragend die Schultern. Doch was sollte Danilo sagen? Er wusste selber nicht, was in Karo vorging.
„Wollen Sie ihn noch einmal sehen, um sich von ihm zu verabschieden?“
Danilo erhob sich von seinem Stuhl, um Karo zu ihrem Baby zu begleiten. Er fasste sie am Arm und wartete darauf, dass sie ebenfalls aufstand. Wie elektrisiert fuhr sie herum und entzog sich ihm mit einem heiseren Aufschrei.
„Karo?“ Fassungsloses Entsetzen spiegelte sich in seinen Augen. Er hob begütigend die Hände, während er einen Schritt zurück trat. Ein Muskel um seinen Mund zuckte. „Karo, was hast du? Was ist los mit dir?“
Bestürzt beobachtete er ihren unbeweglichen Blick, die gleichgültige Haltung, als ginge sie das alles nichts an. Hatte sie Doktor Arrab überhaupt verstan den? Verfluchte Hölle, ihr Sohn war tot! Nach ihrer Tochter war nun ebenfalls der jüngste ihrer Söhne gestorben. Und sie machte ein Gesicht, als hätten sie eben über das Wetter geplaudert. Fehlte bloß noch, dass sie gelangweilt Däumchen drehte!
Bei dieser Vorstellung war es mit seiner mühsam aufgebrachten Beherrschung endgültig vorbei. Zu seiner eigenen Überraschung packte er sie an den Schultern und schüttelte sie heftig durch. „Rede mit mir, Karo! Zum Teufel, wach endlich auf! Jonas ist tot!“
Von diesem unerwarteten Wutanfall wie hypnotisiert, wackelte ihr Kopf schlaff wie der einer Stoffpuppe hin und her. Sie hatte längst keine Kraft mehr , sich gegen die unerklärlichen Geschehnisse um sie herum zur Wehr zu setzen. Willenlos ertrug sie auch diesen Angriff. Irgendwann hob sie wie in Zeitlupe den Kopf und starrte in blaue Augen, die sich zusehends schwarz färbten und feurige Blitze gegen sie schleuderten.
Diese Augen! Sie kannte diese Augen! Dieses Schwarz wollte sie auffressen! Es war kalt, eiskalt , und krallte sich um ihr Herz, das nicht mehr schlagen konnte. Von heller Panik erfasst schrie sie los, schrill, hysterisch, ausdauernd.
Danilo ließ sie erst los, als sich jäh zwei
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