Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
nicht!“, schnitt Peters ihr das Wort ab. „So etwas darfst du nicht denken. Du weißt, dass er lebt. Wir müssen ihn nur schnellstmöglich finden. Sina Bertram wurde vor ihrem Tod furchtbar zugerichtet.“
Und sie war hochschwanger gewesen. Dem vorläufigen Bericht des Pathologen zufolge hatte man sie mit Drogen vollgepumpt – genug, um sie bei Bewusstsein zu halten, während sie auf das Übelste zugerichtet wurde, ohne jedoch ihre Schmerzen zu dämpfen.
„Vor einer halben Stunde haben wir die entscheidenden Hinweise erhalten, die uns zum Aufenthalt sort der Kidnapper führen. Wir werden Angel finden.“ Frithjof machte eine Pause. „Er wird einen Arzt brauchen, wenn wir ihn da herausholen. Ich habe mit Professor Vogel gesprochen, der dich bis auf weiteres aus dem Dienstplan gestrichen hat und einen Rettungsassistenten samt Hubschrauber schicken wird.“
Wie zur Salzsäule erstarrt stand Karo, die Hand auf den Mund gepresst, und kämpfte vergeblich mit den Tränen. „Ihr bringt ihn doch wohlbehalten nach Hause, nicht wahr? Du hast es versprochen, Danilo. Angel darf nicht sterben.“
„Nicht , wenn ich es verhindern kann.“ Er zog die eiskalten Hände seiner Frau an die Brust und küsste sie, bevor er sich von ihr verabschiedete. „Ich habe dir mein Wort gegeben, also wird er auch nach Hause kommen.“
„Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.“
Danilos Herz begann zu flattern. „Gib auf unsere Jungs Acht, Karo. Und tu bitte, was Frithjofs Mann sagt.“ Er bemerkte, wie sich erneut Widerspruch in ihr regte, und schüttelte den Kopf. „Keine Alleingänge, selbst wenn es dir schwerfällt“, warnte er eindringlich. „Dieses eine Mal nicht, denn damit wirst du Angel nicht helfen. Und ich muss mich nicht ständig fragen müssen, wo du bist und was du gerade anstellst, und mir Sorgen um dich machen. Ich liebe dich.“
Karo stand auch dann noch am Fenster, als die beiden Männer längst in Peters’ Wagen davongefahren waren. Gedankenverloren starrte sie auf die Straße, die Hände wie zu einem stummen Gebet vor der Brust gefaltet.
„Ich liebe ihn. Ich liebe ihn so sehr. Und es tut furchtbar weh“, flüsterte sie mit geschlossenen Augen. „Bitte, lieber Gott, hilf uns, das durchzustehen. Hilf mir, die richtige Entscheidung zu treffen.“
3 8. Kapitel
Eisige Kälte kroch wie eine Schlange an ihm empor, suchte sich einen Weg zu seinem Herz, um es einzuschließen und für immer festzuhalten. Wieder und wieder krümmte er sich unter entsetzlichen Magenkrämpfen. Sein Stöhnen hatte nichts Menschliches mehr an sich und sein Atem ging rasselnd und unregelmäßig. Das Hemd war zerfetzt und klebte nass von kaltem Schweiß an seinem ausgemergelten Körper. Mit letzter Kraft rollte er sich herum, presste seinen Rücken flach auf den Boden und beschwor die Energie der Steine, in ihn einzudringen. Ihre Geduld. Ihre Stärke und Weisheit.
Schon als Kind, als ganz kleines Kind, war es ihm leichtgefallen, sich in Trancezustände zu versetzen. Niemand hatte es ihm beigebracht, wie er jetzt wusste. Ganz allein war es ihm gelungen, das Sein vom Bewusstsein zu trennen und das Bewusstsein in wissende und unwissende Bereiche zu teilen.
Aber heute, mehr als dreißig Jahre später, hatte er die Kraft der Konzentration verloren. Konzentration so hart wie Stein, so still wie das Nichts. Und ihm wurde klar, dass er es nicht schaffen würde. Sie hatten seine Persönlichkeiten zerstört, jedes einzelne seiner Ichs vernichtet, womit er jegliche Fähigkeit zum Widerstand verloren hatte. Es war vorbei.
Seit Sinas Ermordung war er auf Entzug. Der Marquess hatte ihn in dem stinkenden Loch allein gelassen. Stunden, Tage? Er traute seinem Zeitgefühl längst nicht mehr. Wenn jemand wie er Monat für Monat in undurchdringlicher Dunkelheit und Stille hauste, verging die Zeit immer langsamer, bis sie irgendwann ganz stehen blieb. Selbst das war ohne jede Bedeutung für ihn geworden. Was sein Dasein beherrschte, waren unerträgliche Schmerzen und erdrückende Einsamkeit.
Nur einmal, für einen viel zu kurzen Augenblick voll Liebe und Licht, war ihm ein Engel der Barmherzigkeit erschienen. Er hatte die leichten Schritte nicht gehört, die sich auf dem Gang seinem Gefängnis näherten. Das Klappern seiner Zähne, weil er so erbärmlich fror, hatte alle Geräusche um ihn herum übertönt. Bloß so konnte er sich erklären, dass er weder ihren Atem noch sonst einen Laut vernommen hatte.
Plötzlich stand sie vor ihm,
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