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Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)

Titel: Zurück ins Licht (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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huschte ein weicher Zug über sein bleiches Gesicht. „Du hast Recht. Ich kann mich an keine einzige Lüge aus deinem Mund erinnern.“
    Unruhig trat Danilo von einem Bein aufs andere.
    „Jaja, ich habe es nicht vergessen. Ich muss wissen … Danilo, ist sie glücklich? Mit dir? Wirklich glücklich?“
    „ Das ist sie, Angel. Gleichwohl hat sie nie aufgehört, dich zu lieben. Aber weißt du, ihre Liebe reicht für so viele, für die Kinder, ihre Freunde und … und ganz bestimmt für uns beide, sodass wir uns deswegen keine grauen Haare wachsen lassen müssen.“
    An gestrengt lauschte der blinde Mann. „Nein! Nein, warte! Geh noch nicht.“ Er suchte nach Danilo, der bei seinem Hilferuf außer Reichweite stehengeblieben war. Seine Hand fuhr verzweifelt durch die Luft. Der Jüngere schauderte angesichts dieses Bildes völliger Hilflosigkeit seines einst starken Bruders, der bloß noch ein Schatten seiner selbst war. „Danilo?“
    „Ich bin hier.“ Behutsam legte er seine Hand auf die seines Freundes.
    „Ich will nicht alleine sein“, entschuldigte sich Angel verlegen und mit schwacher Stimme. „Drei Jahre lang. Allein. Drei Jahre habe ich nicht geredet.“ Sein Gesicht verdüsterte sich. „Nur … geschrien.“
    Die Bilder einer endlos scheinenden Zeit voll Grausamkeiten und Demütigungen fielen erneut über ihn her und ließen ihn nicht mehr los. Er schüttelte sich vor Abscheu.
    „Erzähle von meinen Babys. Sind es drei Jungen und ein Mädchen , wie ich vermutet habe? Sina …“ Angel schluckte schwer, als hätte sich eine unsichtbare Hand um seinen Hals gelegt. „Sina behauptet, du hättest bei der Entbindung … versagt. Was meint sie damit?“
    Danilo war totenblass geworden. Noch bevor sein Schweigen zu lange andauerte und er antworten musste, hatte er eine Schwester herbei gewunken, die an der Türscheibe stand und glücklicherweise seine Zeichen sofort richtig deutete.
    „ Ah, unsere beiden Ärzte wieder einmal bei der Fachsimpelei. So sehr ich bedaure, Sie unterbrechen zu müssen, doch die Besuchszeit ist um. Ich muss Ihnen Doktor Iwanow …“ Sie richtete ihr Gesicht gen Himmel und hielt sich entsetzt die Faust vor den Mund, bevor ihr das Wort „entführen“ über die Lippen rutschen konnte.
    „… zu einem seiner Patienten mitnehmen“, vollendete die Schwester schreckensbleich den Satz. „Sie können Ihr Gespräch mit Doktor Iwanow bestimmt morgen fortsetzen. Soweit ich mich erinnere, hat ihm der Professor einen Tag frei gegeben.“
    „Was ist mit den Kindern? Danilo , sag es mir. Was ist mit ihnen?“ Angel hielt noch immer die Hand seines Freundes fest umklammert.
    „ Die Jungs sind okay. Aber ich muss jetzt wirklich gehen. Morgen … ich komme wieder, Angel. Wir reden morgen über alles.“
    Angel nickte gequält und sank zurück.
    Was h atte er denn erwartet? Unerwartet brach er in die Welt der anderen ein und wirbelte deren geordnete Existenz durcheinander. Sie hatten sich längst auf ein Leben ohne ihn eingestellt. Was wollte er hier? Niemand brauchte ihn. Er hatte überlebt, aber um welchen Preis? Er war blind und krank und zu nichts nütze. Blind geboren zu werden, war eine Sache, denn man kannte die Welt nicht anders. Blind werden jedoch war wie lebendig begraben sein. Aller Farben beraubt, verblassten die Bilder seiner Erinnerung allmählich, verlor er jegliche Orientierung. Er wusste, wie die Sonne aussah und blieb trotzdem gefangen in ewiger Nacht, fernab jeden Lebens. Dann wollte er lieber tot sein, denn dort würde es Licht geben. Auch für ihn. Licht und Wärme und Liebe.
    Ein Gefühl grenzenloser E insamkeit ließ sein Herz rasen. Karo hatte seinen Bruder geheiratet! Von ihm selber war nicht mehr als ein kümmerliches Wrack geblieben. Sein Vater hatte ihn benutzt und dann weggeworfen. Nun lag er hier, in dieser sterilen Umgebung, atmete sterile Luft, ein hilfloses Stück Mensch, mit dem niemand etwas anzufangen wusste.
    Würde sein Martyrium nie ein Ende haben?

41 . Kapitel
     
    Der Professor rieb sich über die brennenden Augen. Er war müde. Seit Tagen schon. Aber was sagte er! Der Ehrlichkeit halber musste er gestehen, dieses Gefühl schon seit Monaten nicht mehr aus seinen alten Knochen zu bekommen – vermutlich ein Hinweis, dass es Zeit wurde, sich nach einem Nachfolger umzusehen. Ja, in einer ruhigen Minute wollte er ernsthaft darüber nachdenken. Er hatte eine Entscheidung immer wieder hinausgezögert, weil er insgeheim bis zuletzt gehofft hatte, Angel würde

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