Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
dieser sich gerade von einer Laborärztin die Befunde der Gewebetypisierungen erläutern ließ. Behände sprang Professor Vogel von seinem Chefsessel, als er Danilo eintreten sah, und winkte ihn aufgeregt zu sich. „Komm rein! Du störst nicht, ganz im Gegenteil. Na mach schon, komm, komm her. Ich wollte dich ohnehin gleich ausrufen lassen.“
Der Professor trommelte mit den Knöcheln triumphierend auf das Papier. Danilo hatte ihn lange nicht dermaßen aufgewühlt erlebt und fragte sich bang, ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen war.
„Du solltest besser Platz n ehmen, Junge. Es ist … ich kann es wirklich nicht anders sagen, es ist einfach unglaublich! Es grenzt an ein Wunder, die Feintypisierung lässt allerdings keinerlei Zweifel zu.“
Er holte t ief Luft und verkündete feierlich: „Danilo, es hat sich bestätigt, was einige unter uns schon lange vermuteten: Angel ist mit neunundneunzigprozentiger Sicherheit dein Bruder. Dein leiblicher Bruder, stell dir das vor! Und obendrein bist du für eine Organspende geeignet wie kein Zweiter. Wir haben eine reelle Chance! Endlich!“
Danilo wankte leicht und tastete Halt suchend nach dem nächsten Stuhl, auf den er sich mit einem erleichterten Seufzer sinken ließ. Mit geschlossenen Augen atmete er tief durch. Ein Lichtblick! Sie konnten es schaffen! Die unendlich scheinende Zeit des Wartens auf die Laborbefunde war vorbei und eine zentnerschwere Last fiel von ihm ab.
Sein Bruder! Das Herz schlug ihm vor Erregung bis zum Hals. Ihn schwindelte bei dem Gedanken an die in greifbare Nähe gerückte Rettung seines Bruders. Und er, Danilo, würde ihm das Weiterleben mit seiner Niere ermöglichen.
Sein Bruder! Wie oft hatte er Angel so genannt? Heute dagegen erhielt dieses Wort eine völlig neue Bedeutung für sie beide. Es bedeutete Hoffnung, eine Zukunft und Leben für Angel.
Danilos innerer Aufruhr hatte sich selbst dann noch nicht gelegt, als er in der Cafeteria über seinem verspäteten Mittagessen saß. Er war nicht bei der Sache und stocherte lustlos mit der Gabel in dem Gemüsereis auf seinem Teller. Immer wieder blickte er voll Ungeduld auf die Wanduhr. Er konnte nicht länger warten, Angel von den Neuigkeiten zu berichten. Die Physiotherapiestunde seines Bruders müsste in wenigen Minuten beendet sein, dann würde er sofort zu ihm gehen. Professor Vogel wollte noch einige Untersuchungen Angels anordnen, danach sollte der Transplantation nichts mehr im Weg stehen.
Die für einen frühen Nachmittag außergewöhnliche Unruhe auf dem Flur der Station störte Danilos unkontrolliert holpernde Gedankengänge. Zu viel ging ihm auf einmal durch den Kopf, was er alleine nicht bewältigen konnte. Er zog die Stirne kraus, als er die Therapeutin erkannte, die in Tränen aufgelöst vor Angels Zimmertür stand, immer wieder den Kopf schüttelte und herzzerreißend schluchzte. Eine ältere Schwester hatte fürsorglich den Arm um sie gelegt und redete beruhigend auf sie ein.
Gereiz t riss Danilo die Tür auf und brüllte: „Verdammt noch mal, Angel! Was zur Hölle hast du schon wieder getan? Gib endlich …“ Der Rest seiner Tirade blieb ihm mit einem Ruck in der Kehle stecken.
Angels magerer Körper zuckte zusammen . Er kroch in sich zusammen und wandte den Kopf zur Seite. Diese instinktive Geste der Abwehr machte Danilo im ersten Moment noch wütender und zerriss ihm gleich darauf das Herz. Es war Furcht, die er in Angels Blick entdeckte, abgrundtiefe, schwarze Furcht, mitgebracht aus einem anderen Leben, die ihn auf ewig begleiten würde. Bis an sein Ende.
„ Fass mich nicht an! Nein! Es … es tut … weh! Noch nicht … bitte!“
Danilo ballte die Hände zu Fäusten, seine Zähne knirschten. Oh Gott, Angel, was haben sie dir angetan? Unsäglicher Hass auf die Entführer seines Bruders trieb seinen Puls in die Höhe. Und er verfluchte seine eigenen ungezügelten Gefühle, die mit ihm durchgingen. Was war passiert, dass auch er selbst sich so verändert hatte?
Er trat näher, wagte jedoch nicht, Angel zu berühren, um ihm nicht noch mehr Angst zu machen. „Angel, was ist los? Ich will dir nicht wehtun, das weißt du doch. Niemand wird dir etwas antun. Nie mehr.“
„ Noch nicht. Ich … ich will das nicht.“
„Angel, wach auf! Erkennst du mich denn nicht? Ich bin es, Danilo. Du bist in der Klinik. Zu Hause.“
„Danilo?“
„ Ja, Junge, ich! Was ist passiert?“
„Sie waren hier. Und …“ Angel senkte die Stimme, bis sie nicht mehr als ein
Weitere Kostenlose Bücher